Facebook mit oder ohne Werbung? Lästig, aber nicht relevant.

Facebook hat die Möglichkeit, ein Abo abzuschließen und damit seine Dienste werbefrei zu nutzen, eingeführt. Das ist eine weitere Lästigkeit in der Wahrnehmung der Userinnen und User, und kein echter Schritt zu mehr Datenschutz.

Ich habe mich gestern aus Neugier wieder einmal bei Facebook angemeldet. Sehr zu meinem Erstaunen, obwohl die Nachricht darüber ohnehin medial vermittelt wurde, ich selbst über diesen Rohrkrepierer berichtet habe (oh, wait, jetzt habe ich meine Conclusio schon im zweiten Satz kundgetan), mein Bezug zum sozialen Netzwerk aber de facto inexistent und mein Interesse in Bezug auf die dort stattfindenden Gespräche und Aktionen verschwindend gering ist, war der erste Screen, den ich nach der Anmeldung sah, der über eine „Auswahl zum Thema Werbung“.

Interessant, dass Facebook von „sich ändernden Gesetzen in meiner Region“ spricht. Ich dachte, die DSGVO gibt es schon seit dem 25. Mai 2018. Aber gut, was soll’s. Ich melde mich also an und sehe diesen Screen.

Facebook Infoscreen zum Thema Werbung

Außer auf „Los geht’s“ kann ich ohnehin auf nichts klicken, also klicke ich darauf.

¯\_(ツ)_/¯

Abo oder weiterhin kostenfrei mit Werbung?

Facebook Infoscreen zum Thema Werbung: Mögliche Optionen.

Nun wieder ein Screen, in dem mir Facebook meine Optionen nennt. Und die sind:

  • Abo abschließen und ohne Werbung verwenden oder
  • Kostenfrei mit Werbung verwenden

Der Button für Option 2 ist vorausgewählt.

Ich lese mir den Text nocheinmal durch. Knappe zehn Euro also dafür, dass mir der Service, bei dem ich ohnehin nur Werbung sehe, keine Werbung mehr anzeigt. Obwohl – das steht ja genau genommen nicht da. Es steht einmal da, „Facebook-Konto ohne Werbung“, aber es steht genauso da „Wir verwenden deine Informationen […] nicht, um dir Werbung zu zeigen“. Also was jetzt? Werde ich in Zukunft Werbung sehen, nur eben keine auf mich abgestimmte, oder ist Facebook nach Abschluss des Abonnements für mich komplett werbefrei? – Die andere Option, also alles wie bisher, formuliert die Werbeanzeige als „entdecke mit personalisierter Werbung neue Produkte und Marken“.

Ich sehe mir die Abonnieren-Option an.

So funktioniert das Abo

Okay, hier wird geklärt, was mir noch nicht so ganz klar war: Ich sehe also keine Werbung, wenn ich das Abo wähle, ich sehe aber weiterhin Beiträge und Nachrichten von Unternehmen. Gut, das macht ja soweit Sinn, wenn ich diesen Unternehmen auf Facebook folge. Ich klicke Weiter.

Überprüfe dein Abo

Das wäre der letzte Schritt vor der Zahlung. Knappe 10 Euro für die werbefreie Nutzung von Facebook? Nah. Ich bin wirklich sehr gespannt, wie viele diese Option in Anspruch nehmen werden, glaube aber, Facebook wird prahlerisch über das totale Scheitern dieses Experiments berichten und stolz verkünden, wie wenige dieses Angebot in Anspruch nehmen. Sozusagen das PR-Äquivalent vom Mittelfinger ins Gesicht der Politik.

Ich gehe nicht weiter zur Zahlung, sondern wähle den – übrigens optisch vorausgewählten! – Zurück-Button. Zwei Mal klicken, schon bin ich wieder beim ersten Screen, auf dem ich mir aussuchen kann, ob ich Facebook mit oder ohne Werbung nutzen will.

Ich klicke, was 99,9% aller Userinnen und User klicken werden: Kostenfrei verwenden.

Wie Meta meine Informationen für Werbung nutzt

Der letzte Screen, bevor es in die Langeweile namens Facebook geht, wenn man die kostenfreie Variante wählt. Hier informiert mich Meta darüber, wie und zu welchem Zweck meine Informationen genutzt werden.

Whatever. Zustimmen.

Zahlen oder getrackt werden

Just an dem Tag, an dem ich mit diesen Screens konfrontiert wurde, bemerke ich, dass Max Schrems‘ noyb Beschwerde gegen Meta wegen des Wechsels zu diesem „Pay or Okay“-Systems eingelegt hat. In der Beschwerde wird in zwei Richtungen argumentiert.

„Freiwilligkeit“ ist nicht mit einem Bezahlabo vereinbart

Facebooks bisheriger Umgang mit Nutzerdaten war rechtswidrig, liest man da im Blogbeitrag auf noyb. Und weiter: Facebook hat daran eigentlich nichts geändert; wer Facebook weiter wie bisher nutzt, dessen Daten werden weiterhin rechtswidrig genutzt. Der gesetzliche Zwang der freiwilligen Zustimmung zur Nutzung der Daten ist nach wie vor nicht erfüllt, denn:

Nach geltendem EU-Recht ist die Einwilligung zu Online-Tracking und personalisierter Werbung nur gültig, wenn sie freiwillig erteilt wird. Damit soll sichergestellt werden, dass User:innen ihr Grundrecht auf Privatsphäre nur aus freien Stücken aufgeben. Mit Meta’s neuem System wird allerdings genau das Gegenteil garantiert […] Alle bisher bekannten wissenschaftlichen Untersuchungen deuten darauf hin, dass so genannte „Pay or Okay“-Systeme die Antithese zur freien Einwilligung darstellen und den „freien Willen“ der Nutzer:innen grundlegend beeinträchtigen. So hat der CEO des „Pay or Okay“-Anbieters contentpass festgestellt, dass 99,9 Prozent der Besucher:innen dem Tracking zustimmen, wenn sie mit einer Gebühr von 1,99 € konfrontiert werden. Gleichzeitig legen objektive Umfragen nahe, dass eigentlich nur 3 bis 10 Prozent der Personen wollen, dass ihre persönlichen Daten für gezielte Werbung verwendet werden.

noyb

Also alles nicht so toll. Aber dieser Fall hat noch einen zweiten Aspekt, der nicht außer Acht gelassen werden sollte.

Wenn das Pay or Okay-System durchgeht, wird’s schiach

Im gleichen Blogbeitrag auf noyb.eu findet sich noch ein zweites Argument, warum das von Facebook eingeführte Pay or Okay-System keinesfalls als rechtens erklärt werden sollte. Ein befürchteter Effekt dieses Vorgehens ist nämlich, dass Datenschutz ein kostenpflichtiges Privileg von Personen mit ausreichend gutem Einkommen wird.

Sollte Meta seinen neuen Ansatz erfolgreich verteidigen, könnte das einen Dominoeffekt auslösen. Schon jetzt testet TikTok Berichten zufolge ein werbefreies Abonnement außerhalb der USA. Andere App-Anbieter könnten in naher Zukunft folgen, was den Online-Datenschutz unbezahlbar machen würde. […] Würden alle diese Apps dem Beispiel von Meta folgen und eine ähnliche Gebühr verlangen, müssten die Menschen eine „Grundrechtsgebühr“ […] zahlen. […] Max Schrems: “Grundrechte gelten normalerweise für alle. Wie viele Menschen würden noch von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, wenn sie 250 € dafür bezahlen müssten? Es gab Zeiten, da waren Grundrechte den Reichen vorbehalten. Es scheint, als wolle Meta uns mehr als hundert Jahre zurückversetzen.”

noyb

Interessant dazu auch ein etwas älterer Artikel auf noyb, in dem der Pay or Okay-Ansatz auch in Bezug auf andere Anbieter, wie zum Beispiel die österreichische Tageszeitung Der Standard, kritisiert wird, wobei im gleichen Absatz eine Erklärung folgt, welche Überlegung hinter der damaligen Entscheidung standen.

Die […] österreichische Zeitung „Der Standard“ […] stellte die Nutzer:innen vor die Wahl, entweder der Verarbeitung persönlicher Daten für Werbezwecke zuzustimmen oder eine Gebühr von 8,90 € pro Monat […] zu bezahlen. Offenbar sahen die Datenschutzbehörden […] in diesem Ansatz eine Möglichkeit, journalistische Webseiten zu unterstützen, die unter dem Verlust von Werbeeinnahmen an große Technologieplattformen wie Google oder Meta leiden. Zumindest Meta scheint diesen Ansatz nun selbst übernehmen zu wollen.

noyb

Ungut, das alles.

Zahlen für Datenschutz oder gleich drauf pfeifen?

Ich bin mir sicher, dass nahezu niemand für das knapp 10 Euro teure Facebook-Abonnement bezahlen wird. Wenn Instagram als „ein Konto“ gilt, würde das – siehe Screen „So funktioniert das Abo“ – zudem bedeuten, dass 9,99 Euro für das Facebook- und weitere 6 Euro für das Instagram-Konto, somit insgesamt knapp 16 Euro pro Monat zu berappen wären. Und 16 Euro pro Monat dafür, dass ich etwas weniger scrollen muss, weil mir keine Werbung angezeigt wird, so die Wahrnehmung vonseiten der Userinnen und User, ist viel zu viel. Da pfeift man doch auf Datenschutz und Werbefreiheit und akzeptiert die verblödende Langeweile der Dienste.

Datenschutz ist, so kommt mir zumindest vor, wenn ich mich mit meinen Mitmenschen unterhalte, ein für die meisten komplett unverständliches Thema. Es fehlt ein ganz grundlegendes Verständnis darüber, was diese Daten, die man schützen soll, eigentlich sind, was man damit machen kann und warum sie einen Wert haben. Und, und das ist vielleicht noch bedenklicher, warum es eben nicht okay sind, nur, weil es alle machen. Dieser „ist eh schon egal“-Zugang ist so dermaßen weit verbreitet, das Thema so dermaßen abstrakt und aufgrund seiner nicht unmittelbar nachvollziehbaren Schutzfunktion für die oder den Einzelnen ungreifbar, dass es gefühlsmäßig nicht nur ignoriert, sondern abgelehnt wird.

TikTok will meine Daten? So what?! Facebook gratis oder zahlen? Come on, natürlich gratis! [App oder Service] will meine Daten abgreifen, um [irgendwas zu verbessern]? Aber sich doch, go for it!

Ich selbst war am Anfang von dem, was der Datenschutz bringen wird, begeistert, verzweifle aber immer mehr daran, einen Wert verteidigen zu wollen, der sich in keinem einzigen mir bekannten Fall manifestiert und eine Person unmittelbar betroffen hat. Ja, sicher, es gibt dieses nunmehr knapp zehn Jahre alte Statement, in dem davon die Rede ist, dass auf Basis von Metadaten getötet werde, und es gibt dieses Beispiel (oder sind es mehrere?), in dem erzählt wird, wie Metadaten die Zu- oder Absage zu einem Kredit oder einer Versicherung beeinflussen, aber kennt irgendwer jemanden unmittelbar, dem soetwas passiert ist? Vielleicht bin ich da in einer Bubble, aber ich kenne niemanden. Und die Personen, mit denen ich mich unterhalte, kennen auch niemanden.

Das bedeutet natürlich nicht, dass der Zweck des Datenschutzes an sich nichtig ist, aber es erinnert dann doch ein wenig an Gesetze ohne Sanktionspassus, die auch alle ignorieren, weil eh nichts passiert. Und es bedeutet auch, dass es den Fürsprechern eines strengen Datenschutzes endlich gelingen muss, unmittelbare und leicht nachvollziehbare Beispiele, die wir im Alltag spüren können, zu finden, anhand derer der Wert dieses Schutzgesetzes klar, eindeutig und nachvollziehbar vermittelt werden kann. Ansonsten bleibt die Frage, die immer mehr zu einem Glaubwürdigkeitsproblem für den Datenschutz wird: Schert die DSGVO eigentlich irgendwen außer Juristen? (Personen, die sich vorstellen, ihre Daten tatsächlich auf eine Art schützen zu können, damit die Bösen bei Facebook, bei Google oder sonstwo nichts mitbekommen, verweise ich auf die Möglichkeiten, die in dem sehr gut dazu passenden XKCD-Comic aufgezeigt werden.)

Der Datenschutz bleibt also eine Schutzregulierung für eine Möglichkeit, mit Daten umzugehen, die nicht eintreten soll, obwohl man ihr mit jeder App-Installation, mit jedem neuen Onlineservice, ja, herrje, sogar mit dem Einschalten des Fernsehers zustimmt ohne Nachteile zu erfahren. Da liegt für mich die Disparität in der juristischen und der alltäglichen Wahrnehmung: Wozu vor etwas schützen, wenn ohnehin nichts passiert, wenn ich mich nicht davor schütze. Und für dieses mehr als abstrakte Etwas, das gefühlt niemand versteht, niemand will und das bestenfalls ein Unwohlsein verursacht, bezahlen? Eher nicht.

Mich kümmert’s im konkreten Fall nicht, aber für alle anderen sind die oben abgebildeten Screens eine Mühsal gleich den sinnlosen Cookie-Consent-Tools, also wieder eine „von oben aufgedrängte“ Annoyance. Das tut der Wahrnehmung von Datenschutz gar nicht gut und lässt die Ablehnung gegen dieses mittlerweile verbrannte und durch die im Alltag spürbare Lästigkeiten negativ behaftete Wort stärker werden. Da hätten wir übrigens die Alltagswahrnehmung, nach der ich in den vorigen Absätzen gesucht und deren Fehlen ich oben beklagt habe: Kein Schutz, sondern lästige Cookie-Banner.

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