Noch überzieht der Geschmack nach Torf und verbrannten Gräsern Jakobs Gaumen. Er greift nach dem Glasteller mit der dunklen Schokolade, nimmt ein Stück, steckt es gedankenverloren in den Mund. Bittere Süße explodiert zwischen seinen Lippen. Das ist der Moment. Der richtige Moment. Jakob beugt sich zu Elena hinüber, bis er die Wärme ihrer Schulter ganz nahe an seiner Brust spürt, und flüstert ihr zu: „Der Abend fängt ja gut an!“ – „Wie meinst du das?“ Er lacht. Ihre gespielte Unschuld macht ihn ganz verrückt; der kokette Augenaufschlag, gelungene Zugabe. „Ich meine“, sagt er, noch immer mit abgedunkelter, lichtscheuer Stimme, und zerdehnt dabei die Worte über Gebühr, „dass wir ganz ruhig so weitermachen sollten, bis wir im Bett landen.“ Elena lehnt sich ein wenig zurück. Der Wärmefleck auf seinem Hemd bleibt. Sie sieht ihm direkt in die Augen; es ist ein merklich abgekühlter Blick. Doch Jakob nimmt das nicht so ernst. Eigentlich nimmt er gar nichts mehr ernst. Sie sagt: „Ich muß in spätestens einer Stunde zuhause sein.“ Ihre Stimme hat dabei weder neckisch noch unterschwellig lockend geklungen. „Das hat gestern aber ganz anders geklungen!“ meint er scherzhaft. „Gestern war gestern. Und dein Heute scheint sich nicht ganz mit meiner Vorstellung zu decken!“ – Ein gefährliches Aufblitzen zwischen den Worten macht ihn stutzig. Ein Ton, der wie gegeneinander geschlagener Stahl geklungen hat. Unangenehmes, schrilles Geräusch. Dissonanzen. Feinde des Tonsetzers. Doch die Wärme über seiner Brust ist noch da. Es kann nur ein Irrtum gewesen sein. Er muß sich verhört haben. Elena kauert und wartet. Auf ihn? Jakob, fest davon überzeugt, will ihr eine Hand auf die Schulter legen. Sie dreht sich, als hätte sie insgeheim auf diese Bewegung seinerseits gewartet, mit einem allzu schnellen Ruck von ihm weg. Seine Finger streifen sie nur; es ist dieser am Ziel vorbeigegangene Griff, der Jakob wütend werden läßt. Nichts anderes. Besser gesagt: Alle anderen Hinweise und Spuren hat er überhört und übersehen. Alle anderen Anlässe hat er versäumt. Es trifft ihn unerwartet, nicht aber unvorbereitet. Sein Körper schnellt hoch, dann auf sie zu. Abwehrend ausgestreckte Arme werden zur Seite und nach hinten verdreht. Jetzt ist es der Augenblick einer sinnlosen, maßlosen Gewalt, die sich in Jakob Bahn bricht. Der Torfgeschmack klebt als Geruch an seiner Nasenscheidewand. Noch immer. Die Schokolade, bittere Süße, haftet als pelziger Klumpen unter seiner Zunge. Schweiß bedeckt seine Stirn. Vorher war er taub gegenüber Elenas Worten. Jetzt hört er ihre Schreie nicht. Eigentlich hat sich nichts geändert. Fast nichts.