Sonntagsarabesken #3

Vor einem Monat scheint sich gewissermaßen alles auf den Kopf gestellt zu haben; vor einem Monat war alles ganz anders, im Nachhinein betrachtet: fremd und unwirklich, und doch das, was ich mittlerweile Realität zu nennen gelernt habe. Bis etwa 20:30 jenes damaligen Tages, eines zu schnell und doch quälend langsam verstrichenen Tages, im Übrigen – ein schönes Paradies, das ohne eine Spur von Schatten oder Makel außerhalb von Zeit und Raum zu schweben schien; danach? Kaltes Lächeln, zynisches Indiz für den Sturz einer subjektiven Weltordnung. Ich kann alles benennen, ein Blick auf die Uhr genügt, ein müder Blick, ein völlig übermüdetes Augenrollen, das sich in die Unendlichkeit fortsetzt, heute Abend, ein Monat später. Nichts hat sich geändert, weder ihre Augen, noch ihr Haar, noch ihre Stimme… doch fühlt sich Stunde für Stunde schrecklicher an, und gegen Ende des Tages hält mich nur noch die Gewißheit um meine eigene Lächerlichkeit aufrecht. Das ist wohltuend und grausam zugleich.

Angelo casto e bel… non turbi un sol avel…

Was ich denke, was ich fühle, was ich will – nichts davon kann ich mehr benennen. Eindeutigkeiten versinken wie eine tote Sonne hinter dem Horizont meines allzu schwachen Willens. Die Zeit der Masken ist wieder angebrochen, neu und alt vertraut zugleich, das Versteckspiel geht in seine zweite Runde, und noch ist die Sorge um die Häßlichkeit der Zukunft fern. Weit weg. Die romantische Figur des vor Liebeskummer Sterbenden, der sich noch einmal vorstellt, wie die Angebetete an der Seite ihres neuen Gatten an seinem Grab vorbeischlendert, ohne auch nur einen Blick zu verschwenden für den kalten Marmor und die wuchernden Flechten. Ich glaube solche Bilder zu erkennen. Doch dann sage ich mir: Meine Tage sind zu kurz, um sie mit Dingen wie Trauer oder auch nur Traurigkeit zu vergeuden. Gleichzeitig weiß ich, wie sehr ich mich selbst belüge. Da gibt es keinen Ausweg. Existenzform des geringsten Widerstandes? Vielleicht versuche ich das gerade. Jedenfalls meine ich, glücklich zu sein. Ist das weniger wert als echtes Glück?