Wenn Menschen nach Österreich kommen, so sind sie mit einer Gastronomiekultur konfrontiert, die ihnen wohl so nicht überall widerfährt, denn: Trinkgeld hier und Trinkgeld da sind nicht gleichzusetzen. Nicht in Österreich. Da gibt es andere Regeln. Grundsätzlich aber sind Kellner und Lieferanten meines Wissens nach nicht aufs Trinkgeld angewiesen. Sie erhalten – zum Glück! – ganz normal Lohn. Trinkgeld ist ein Zuschuss.
Wen meine nun folgende Tirade nicht interessiert und wer gleich wissen will, wieviel Trinkgeld hier bei uns üblich ist: die letzte Überschrift soll hier helfen!
5 Gründe, es mit dem Trinkgeld nicht so ernst zu nehmen
Mein sehr gespaltenes Verhältnis zu Kellnern in fünf Gründen argumentiert. Hier aber noch ein kleines Vorwort. Ein Kellner/eine Kellnerin ist für mich eine grundsätzlich freundliche und zuvorkommende Person, die vier Aufgaben hat: Meine Bestellung aufzunehmen, mir mein Essen zu bringen, nachzufragen, ob ich noch etwas benötige oder bestellen will, und am Schluss zu kassieren. Die Jungdamen und -herren, die in teuren Lokalen herumstolzieren und deren Job es ist, schön zu sein, sind keine Kellner, sondern irgendwelche Arbeitskräfte, die ich ignoriere.
Doch nun zu den fünf Gründen, es mit dem Trinkgeld nicht so ernst zu nehmen:
- Trinkgeld ist Faulheit, nämlich meine. Wer auf den nächsten Fünfer- oder Zehnerbetrag rundet, denkt nicht an Trinkgeld, sondern an die Vereinfachung der Rechnung. Meiner Meinung nach ist Trinkgeld erst dann wirkliches Trinkgeld, wenn der Gesamtsumme, die zu zahlen ist, ein deutlicher Betrag hinzugefügt wird. Wer bei einer Rechnung von 23 Euro auf 25 aufrundet, rundet eben nur. Das ist kein Trinkgeld, sondern Faulheit, mit der man zB Münzen los wird oder keine erhalten will. Wer allerdings in unserem Beispiel auf 30 Euro aufrundet, gibt Trinkgeld.
- Trinkgeld ändert und bewirkt nichts. Die erste Version dieses Artikels habe ich im Mai 2007 geschrieben, dieser Punkt wurde im Dezember 2018 aktualisiert. Und ich bestätige hiermit, was ich vor 11 Jahren behauptet habe. Wird der Kellner freundlicher oder das Essen besser, wenn ich Trinkgeld gebe? Die Antwort lautet: Nein! Diese „Erziehungsmaßnahme“ könnt ihr euch also gleich aus dem Kopf schlagen.
- Trinkgeld macht frech. Erst jüngst ist es mir passiert, dass ein Kellner bei mir nach mehr Trinkgeld verlangt hat. Nicht direkt, indem er mich dazu aufforderte, aber indirekt: Ich war mit einem Kollegen Kaffeetrinken und als es ans Zahlen ging – ich war mit der Leistung des Kellners zufrieden, aber auch nicht mehr, denn was soll man beim Aufnehmen der Bestellung für einen Espresso schon groß tun? – gab ich anstatt der 1,40 die runde Summe von 1,50. Mein Kollege, der sein Kleingeld loswerden wollte, ließ 1,70 am Tisch liegen. Der Kellner erlaubte sich die Bemerkung, dass mein Kollege mehr Trinkgeld geben würde als ich, und ob ich nicht nachbessern wolle. „Auf 1,50, bitte!“
- Trinkgeld kommt nicht am Ziel an. In kleinen Lokalen funktioniert das, in jedem etwas größeren nicht: Wenn Trinkgeld, das an bestimmte Kellner ausbezahlt wurde, in eine gemeinsame Kasse eingezahlt wird, um anschließend unter allen Mitarbeiten aufgeteilt zu werden, dann… na, ich weiß nicht. Sicherlich hat das positive Aspekte, denn der Küchenjunge, der für die fantastischen Topfenkolatschen verantwortlich ist, wird auch endlich entlohnt, andererseits ist das Trinkgeld ja Geste einer direkten Belobigung des Services, oder nicht?
- Trinkgeld und Kreditkarten. Nah am vorigen Punkt liegt dieser. Ich weiß nicht, wie das in Lokalen funktioniert, wenn das Trinkgeld dem zu zahlenden Betrag hinzugerechnet wird, aber die Gesamtrechnung dann über die Kreditkarte verrechnet wird. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das Trinkgeld direkt dem kassierenden Kellner zugerechnet wird.
Warum man hin und wieder seine Meinung sagen sollte
Österreich ist ein Land des indirekten Beschwerens. Man beschwert sich nicht direkt, sondern per E-Mail. Man sagt den Leuten nichts ins Gesicht, dass sie arrogant oder mies drauf sind, sondern umschreibt es höflich und beschwert sich beim Vorgesetzten. Wenn Rechnungen einen Posten fürs Trinkgeld haben, dann sollte dort wenigstens, einem Review online gleich, ein Feld sein, in dem man eintragen kann, warum man das Trinkgeld gibt oder eben nicht. Das wäre dann ein qualitativer Aspekt, der… Ach, ich mache mir nichts vor, der würde auch nichts bringen.
Wieviel Trinkgeld gibt man in Österreich?
Daumen mal Pi: 5-7% oder die nächste runde Summe, je nach Höhe des Betrags. Aber – und das ist meine Empfehlung – das Trinkgeld soll ruhig als „Bewertung“ des Verhaltens eines Kellners (unter Berücksichtigung der Umstände) fungieren.
Ich handhabe das folgendermaßen: Bei Getränken, deren Zubereitung ohne Aufwand verbunden ist und die immer überteuert sind, gibt es wenig Trinkgeld, bei allem, was das Lokal selbst herstellt, dementsprechend mehr. Kellner, die sich bemühen, bekommen Trinkgeld, solche, denen es egal ist, nicht einen Cent. Besonders beim Kassieren trennen sich Spreu und Weizen. Nennt mir ein Kellner beispielsweise den zu zahlenden Betrag, sieht mich dabei aber nicht an, kein Trinkgeld. Lässt er die Rechnung auf meinen Platz fallen anstatt sie mir hinzulegen, kein Trinkgeld. Wird das Glas Leitungswasser mit einer „Servicepauschale“ angeführt, kein Trinkgeld. Zahle ich fürs Leitungswasser, obwohl ich auch andere Getränke konsumiert habe, kein Trinkgeld. Rät mir ein Kellner allerdings von einem Getränk ab und begründet das gut, Trinkgeld. Empfiehlt er mir etwas, was zB nicht auf der Karte steht, Trinkgeld. Ist er bemüht, die Speisen wirklich schnell und ohne Verzögerung zu bringen, Trinkgeld. – Es ist also wirklich eine Art „Betragensnote“, die sich in Form von Trinkgeld zeigt.
In Österreich ist das Trinkgeld niemals im Preis inbegriffen. Dementsprechend ist die Höhe des Trinkgelds die einzig valide Möglichkeit des Feedbacks, die ein Konsument tatsächlich hat. Also nutzt sie!