Tyler Cowen hat bereits im Juli, also mehrere Monate vor der Wahl, einen Artikel über den „Wandel der Vibes“ geschrieben, um eine Erklärung für den rapiden Anstieg der positiven Wahrnehmung Donald Trumps in der Bevölkerung zu finden. Sieht man sich die 19 Gründe, die Cowen nennt, von denen ich hier einige zitiert habe, an, bemerkt man aber schnell, dass sich die Situation weniger als für Trump und mehr als gegen die Demokraten darstellt. Zu viele, die unmittelbare Lebenserfahrung infrage stellende Veränderungen wurden zu leichtfertig, ohne argumentativen Unterbau und zu schnell implementiert oder, vielleicht sollte man besser schreiben: oktroyiert?
Trump was a highly vulnerable, defeated President, facing numerous legal charges and indeed an actual felony conviction. Yet he now stands as a clear favorite in the next election. In conceptual terms, how exactly did that happen? […] Trump and his team understand that we now live in a world of social media. Only a modest part of the Democratic establishment has mastered the same. […] The deindustrialization of America has mattered more than people expected at first […] The ongoing feminization of society has driven more and more men, including black and Latino men, into the Republican camp. The Democratic Party became too much the party of unmarried women. […] The relentlessly egalitarian message of Democrats is not so popular, and furthermore — since every claim must have messengers — it translates in lived practice into an “I am better than you all are” vibe. Americans noticed this, if only subconsciously. […] The Woke gambit has proven deeply unpopular. […] Trans support has not been a winning issue for Democrats, but it is hard for them to let it go. […] Immigration at the border has in fact spun out of control […] In very simple terms, you might say the Democrats have done a lot to make themselves unpopular, and not had much willingness to confront that. Their own messages make this hard to face up to, since they are supposed to be better people.
Tyler Cowen
Der letzte Satz, Tyler Cowens eigene Zusammenfassung der Gründe für den (zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seines Artikels noch nicht absehbaren) Wahlsieg Donald Trumps, bringt es auf den Punkt: Wenn sich eine Partei (oder einfacher: eine Gruppe von Menschen) als „better people“ präsentiert, dann muss sie diese Behauptung auch solange kontinuierlich unter Beweis stellen, bis das „better“ zur Norm wird. Vor allem muss die Gruppe aber alle anderen, nicht ganz so guten Menschen, davon überzeugen, am Tag der Entscheidung ihnen ihre Stimme zu geben, sozusagen für sie zu sein.
Gelingt das nicht oder stoßen Maßnahmen dieser „Menschen mit den besseren Lebensmodellen“ auf zu großen Widerstand oder gar Unverständnis innerhalb der Bevölkerung, dann verlieren sie gegen einen, der in ihrem Wertesystem das „Schlechte“ darstellt. An die Macht kommt dann ein „höchst angreifbarer [Mann], der sowohl mit zahlreichen Anklagen als auch mit einer tatsächlichen Verurteilung wegen eines Verbrechens konfrontiert ist“, wie es gleich zu Beginn in Cowens Zitat heißt. Doch diese Dinge wirken für ein große Gruppe der Wählerinnen und Wähler normaler, angreifbarer und familiärer als all die Errungenschaften der „besseren Menschen“, die Entscheidung für ihn ist also eine Entscheidung für sie selbst.