Wir sind Nationalfeiertag 2023

Wir sind Nationalfeiertag. Nichtsdestotrotz, aber dennoch und überhaupt. 2023, ein Fleckerlteppich sondergleichen. Aber irgendwas hält die Dinge noch zusammen.

Wir haben 14°C und offene Aufträge, vieles fällt weg, vieles verändert sich. Wir sind in einer verschleppten Zeit, wir leben geborgte Zeit ab. Die Kredite ziehen an, der Hausbau stockt. Auf TikTok können wir zwei Kriege betrachten, auf Twitter, nun X, uns über Elon Musk aufregen. Ein Elektroauto? Wir warten noch. Thermentausch? Mitnichten. Steuern und Versicherungen warten schon.

Wir haben Keywords und Themen, Nehammer Kurz und ÖVP. Wo man nie hinwollte und Grüne. Burgenland, Grundstücke und SPÖ, „Sie haaaaaaben die Noitrallitääääät verraaaaaten“ und Freiheitliche. Wir haben Schauspieler mit dunkler Vergangenheit. Wir haben das Binnen-I, das Sternchen und den Doppelpunkt. Wir haben die Grippe- und die Corona-Impfung und solche, die sie längst haben, wie auch solche, die sich von ihr bedroht fühlen.

Wir haben das Schnitzel und den veganen Lifestyle, die Tabletten gegen den Eisenmangel und die gegen das Cholesterin. Wir haben die Bladen, die Dünnen, die Blöden und die Gscheiten. Wir haben Partnerinnen und Partner, Exfreundinnen und Exfreunde, Geliebte, Väter und Mütter. Wir haben die Toten, die auf den Friedhöfen, die wir haben, auf uns warten. Und wir haben diejenigen, die darauf warten, endlich bei den Toten auf den Friedhöfen, die wir haben, zu sein. Früher, so heißt es nämlich, war alles besser.

Wir haben Sonnenschein und die Natur, schmelzende Gletscher, Überflutungen und Trockenheit. Uns ärgert nur der Sonnenbrand. Wir haben „wärmste Monate“ und keine Aufstiegschancen. Wir haben eine Gerontokratie ohne zu wissen, dass wir sie haben, eine Herrschaft der Alten und derer, die die geraubte Zeit erben. Wir haben Flügel und andere Phänomene. Wir haben die, die leisten, und die die Leistung erben. Und dann haben wir die anderen 99 Prozent.

Wir haben Flüchtlinge und Propaganda, Bevölkerungsaustausch und Willkommenskultur, tiefes Mitleid und abgrundtiefen Hass. Wir haben Schlachten in den sozialen Medien und Kaffee, Tee, Bier und Saft im Café. Wir haben Gegensätze, die zum Himmel schreien. Und doch sind wir immer noch da.

Wir sind ein Fleckerlteppich, ein Mischung, eine Melange an Trotteln und Netten, an solchen, die wir am liebsten zum Mond schießen würden, und solchen, die wir, wenn sie mal dort sind, dann doch vermissen. Wir sind eine unverträgliche Zusammensetzung von inkompatiblen Persönlichkeiten in einem Land, das an absurden Stellen gespalten ist. Und dennoch schmeckt uns die Topfenkolatsche.

Können wir? Können wir wirklich? Ja, nichtsdestotrotz können wir:

Wir können stolz auf uns sein. Wir sind Nationalfeiertag.

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