EU würgt KI mit Bürokratie

Die EU hat ihr nächstes, total großartiges, den Kontinent überhaupt nicht hemmendes Regelwerk in Kraft gesetzt: den AI Act.

Sascha Lobo lehnt den AI Act der EU ab. Er sieht darin ein nicht mehr in der Realität gegenwärtiger Nutzung dieser Technologie verhaftetes Compliance-Monstrum1, das nicht unmittelbar durch seine Bestimmungen, sondern durch die damit verbundenen Aufwände (wie zB Dokumentationspflichten) die KI-Zukunft des Kontinents vernichtet. Er nennt das folgende Beispiel, das nun wirklich absurd wirkt, selbst wenn man die das Drama steigernden Argumente, die dem „im Zweifel“ folgen, ausspart:

Wer auch immer KI unternehmerisch verwendet, muss […] unfassbar viel dokumentieren, managen, nachweisen und einschätzen. Auch Dinge, die man gar nicht wissen kann. Dazu kann gehören unter anderem: eine Konformitätsbewertung, eine automatisierte Protokollierung der KI-Datenverarbeitungen, eine Datenschutzfolgeabschätzung, eine Grundrechtefolgenabschätzung, die Gewährleistung angemessener menschlicher Aufsicht, eine EU-Datenbankregistrierung, ein CE-Siegel, die Gewährleistung der Transparenz der Fähigkeiten des Systems für Nutzende sowie ein Risikomanagement-System [das man im Zweifel braucht], wenn man etwa als Kleinunternehmerin oder Selbstständiger für bestimmte Arbeitsprozesse KI für seine Kunden einsetzen möchte. Bereits dann ist man nämlich „Anbieter“ […]. Für jede dieser Pflichten braucht man Rechts- und Tech-Knowhow, Beratung sowie viel Zeit und Geld, noch bevor man den ersten Schritt in Richtung mehr Produktivität getan hat.

Sascha Lobo

Gerade der letzte Satz ist der Aspekt, der den Vorteil einer Technologie zunichte macht, noch bevor man ihn nutzen kann. Das ist natürlich für eine Union wie die Europäische, die total Vorreiter auf dem Gebiet der Digitalisierung und vor allem auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz ist, überhaupt kein Problem. Wir stecken das weg; ans Aufholen denken wir nicht. Niemand kommt an uns vorbei. Mitnichten! Wir regulieren die Technologie zu Tode noch bevor die ersten Startups sie zur Anwendung bringen können. Und, hey, das ist gut für uns! Not.

Auch auf den Aspekt der Überregulierung, die Unsicherheit schafft und findige Individuen an die Oberfläche kommen lässt, die die Unsicherheit nutzen und so ein wenig Ruhm und Reichtum beanspruchen wollen, geht Sascha Lobo ein. Einerseits liest sich der entsprechende Absatz bitterböse, andererseits lese ich aus ihm die Verzweiflung einer äußerst pro-europäisch eingestellten Person heraus, die, wie viele andere auch, mitansehen muss, wie der Regulierungseifer eines politischen Konstrukts das eigene wirtschaftliche Fundament vernichtet, aus dem heraus es geboren wurde; und damit alles mitreißt, was sich an Positivem für den Kontinent – und die Welt – herausgebildet hat.

Zu einem der Punkte, nämlich dem der Grundrechtefolgenabschätzung, die „bei praktisch jeder mittelgroßen Veränderung des Systems neu durchgeführt werden muss“, was bei dem Tempo, mit dem die Entwicklung im Bereich der KI voranschreitet, nicht mehr zu bewältigen ist, sieht Sascha Lobo schwarz. Und dieses, in seinem Rant auf zwei Absätze aufgeteilte Statement, möchte ich hier niemandem vorenthalten, denn es bringt den Irrsinn, dem sich die gesamte IT- und Softwareindustrie in Europa ausgesetzt sieht, in wenigen Sätzen auf den Punkt.

Von der DSGVO wissen wir: Je komplexer eine Regulierung ist, desto mehr Willkür schleicht sich in alle möglichen Teile des Systems. Und desto leichter können gleichzeitig Lobbyist:innen aller Art ihre manchmal verborgenen und nicht immer supergroßartigen Ziele hineinmogeln. Die EU vernichtet soeben die KI-Zukunft des Kontinents. […] Natürlich wird es extreme Strafen für Nichteinhaltung der Gesetze geben […] und natürlich feiert sich die europäische Bürokratie seit Monaten dafür, dass sie die „erste KI-Regulierung der Welt“ verabschiedet haben, was a) nicht stimmt, weil z.B. China längst eine KI-Regulierung hat und was b) nichts mit der Qualität der Regulierung zu tun hat. Eher im Gegenteil. Wir leben in einem Land, in dem ohne anwaltlichen Beistand eine verdammte Eltern-E-Mail-Liste im Kindergarten kaum DSGVO-konform geführt werden kann, auf einem Kontinent, der es seit Jahrzehnten kaum schafft, dass man irgendwas hundertprozentig rechtssicher auf Ebay verkaufen kann. In einem Wirtschaftsraum, der für alle sichtbar mit der Cookie-Richtlinie das sinnloseste, wirkungsbefreiteste, Verbraucher-irrelevanteste Digitalgesetz des Planeten erschaffen hat.

Sascha Lobo

Dem ist, leider, nichts mehr hinzuzufügen.

  1. Und folgt damit übrigens dem zwar nicht getroffenen, aber deutlich heraushörbaren Urteil des empfehlenswerten c’t Podcasts „Auslegungssache“ zum Thema „Die KI-Verordnung – ein Compliance-Monstrum?„. ↩︎

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