Montag, 11. März 2024. Wir steigen um halb zwölf in der Nacht ins Flugzeug, die Austrian bietet einen zeitlich sehr günstigen Flug an, mit dem man, sofern man im Flugzeug schlafen kann, die Nacht durchtaucht und am durch die Zeitverschiebung bedingten Nachmittag in Bangkok ankommt.
Die Economy-Sitze sind eine Zumutung, aber das wissen wir. (Warum tu ich mir das an?) Der auf dem Gangsitz hat das letzte Mal vor drei Tagen geduscht. Die Kopfhörer für die doch beachtliche Auswahl an Filmen sind irgendein Billigprodukt, das es unmöglich macht, dem Film zu folgen; sie schmerzen in den Ohren. Das Essen – einmal Nudeln mit einer Sauce, die an Bolognese erinnert – halbwegs verträglich, aber weit weg von dem, was man als gut deklarieren würde. Immerhin, die Person vor mir stellt die Rückenlehne nicht zu weit nach hinten.
Schlafen ist nicht wirklich möglich, nächstes Mal „Premium Economy“, auch eine Art Billigsitz, nur nicht ganz so geschmacklos (das betrifft tatsächlich das Essen), mit etwas mehr Beinfreiheit, vor allem aber mit besseren Kopfhörern; Over-Ear, nicht In-Ear wie der Plastikmüll, den ich mir gerade in die Ohren stecke.
Ich persönlich mag ja das Leiden im Flieger und verstehe Passagiere teurerer Flugtickets nicht, denn sie sehen insgesamt noch gestresster aus als diejenigen aus der Holzklasse, die sich 10 Stunden und ein paar Zerquetschte durchgekämpft haben. Ihr Problem ist halt eben, dass sie mit Geld etwas kaufen, was dann nie hält, was es verspricht. Aber so einen Zugang zur Selbstkasteiung muss man ja nicht teilen (und ja, Business Class ist schon fein). Es gibt ja auch Menschen, die Urlaub machen wollen und es sich gutgehen lassen wollen und alles, was schlecht ist, wegkaufen wollen, weil man kann alles wegkaufen. Mehr Geld draufwerfen macht glücklich, heißt es. Außerdem muss man sich ja etwas gönnen. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Ankunft in Bangkok um ca. 15:30 Uhr Ortszeit am Dienstag, dem 12. März 2024. Und es ist heiß hier.
Am Flughafen wird man von hunderten Ständen begrüßt, in dem einem SIM-Karten verscherbelt werden, später dann von Keilern, die einem überteuerte Taxis in die Stadt anbieten. Wir stellen uns in der (sehr kurzen Warteschlange fürs) Public Taxi an, tippen das Ziel in einen Automaten und erhalten eine Nummer. Das Taxi ist wenige Minuten später da und fährt uns in die Stadt. Nehmen wir die Autobahn und zahlen Sie die Maut? Ja wir tun das! (Später, aber den Tipp kann ich ja hier schon loswerden, werde ich alles nur noch über die Bolt-App erledigen. Die eSim von einem der Stände enthält unlimitiertes und wirklich schnelles Internet. Es sind umgerechnet circa 25 Euro für 3 Wochen, wenn mich nicht alles täuscht.)
Das Hotelzimmer im Riva Arun Bangkok ist ein Traum. Blick aufs Wat Arun und ganz gut schallisoliert. (Der Schiffsverkehr am Chao Phraya ist nicht ohne, die Baustelle irgendwo in der Nachbarschaft auch nicht.) Das Service des Hotels ist auffällig gut und gleichzeitig zurückhaltend. Niemand erwartet etwas, man wird willkommen geheißen, nicht um Trinkgeld angebettelt. Das ist ein Unterschied.
Am Dach gibt es ein nobles Restaurant, das mich natürlich gar nicht interessiert. Stattdessen suche ich zuerst das etwa eine halbe Stunde Fußweg weit entfernte Hemlock auf, das sich mittlerweile zu meinem Stammlokal in Bangkok (am Tag 1) entwickelt hat. Danach die Phra Athit entlang in Richtung Norden. Viel hat sich hier verändert.
Ganz in der Nähe der Phra Athit gibt es die Kao San Road, das ist die – mittlerweile muss man sich bei der Beschreibung der Charakterisierung der Straße des Wortes „ehemals“ bedienen – verruchte Straße, in der man praktisch alles bekommen konnte, was man nie haben wollte. Es gibt ein paar Läden, die Zeug zum Kiffen verkaufen (mittlerweile legal in Thailand), hunderte Bierläden mit der üblichen Kombination aus Chang, Leo und Singha-Bier, sonst scheint sich die Gegend beruhigt zu haben. Ja, es ist laut in der Nacht und ja, man fühlt sich auf der Straße so, wie wenn man neben einem Lautsprecher in einem Club stehen würde, aber auf mich wirkte das alles harmlos und auf Trinken, Kiffen und – vielleicht – etwas Essen reduziert. Keine Ping-Pong-Shows mehr, kein Schlangenblut, keine offensichtlich Prostituierten, die ihre Dienstleistungen de facto vor Ort anbieten – kein gar nichts. Die paar Typen, die gebratene Insekten anbieten, sind mittlerweile auch in der Minderzahl. Die Touristen, die in überlauten Lokalen auf ihre Handys sehen, in der Mehrzahl.
Erinnerung werden wach. Die Bleibe, die ich die letzten Male genutzt habe, gibt es nicht mehr. Ich würde sie heute, nach mehr als 12 Jahren wieder einmal in der Stadt, ohnehin nicht mehr nutzen. Ich könnte sie aber auch aus zwei Gründen nicht mehr nutzen. Einerseits der faktische Grund: es gibt sie nicht mehr. Andererseits ein zwar nicht wirklich von mir ausgehender, mich aber letzten Endes dann doch betreffender Zugang zum Thema Hotel. Es muss schon ein richtig gutes Hotel sein. Nicht unbedingt das beste, aber sehr nah dran, sonst ist es ja nichts und stört den Gesamteindruck. Eintauchen in das Land mit allen Vor- und Nachteilen spielt es nicht mehr, Standards müssen aufrechterhalten werden. Ein Gedanke (eine Einstellung), die mir bis dato immer fremd war. Für mich ist Reisen nach wie vor das Gegenteil von Urlaub. Es zeichnete sich bereits am ersten Tag ab, dass die ganze Sache hier in Thailand ein Urlaub werden würde und keine Reise.
Leider oder zum Glück? Noch weiß ich es nicht. Ich bin ja auch müde, in Wien ist es ja mittlerweile 16 Uhr am nächsten Tag. Durchmachen bis Nachmittag ist gut, aber jetzt will ich schlafen.
Der kurze Spaziergang in die Phra Athit, die (für mich) enorme Hitze in Bangkok, die Gerüche und Eindrücke, die Unverständlichkeit der Sprache, die Riten und Gesten der Thais und viele weitere Faktoren haben in mir die Reiselust wieder geweckt, die ich sehr lange lange vermisst habe. Wie konnte es dazu kommen, dass ich so lange schon nicht mehr eine Reise angetreten habe? War es die Sorge, etwas zu verpassen, während ich verpasst, was das Leben zu bieten hatte? Die Angst, dass mir etwas verloren gehen würde, während mir die Zeit zu Reisen verloren ging? Es gilt tatsächlich, dass man die Dinge einfach tun muss, denn die richtige Zeit dafür zu finden, ist unmöglich. Das ist eine ihrer tückischen Eigenschaften. Die Zeit für den Umzug, für Kinder, fürs Essen, fürs Heiraten, für den Wechsel des Berufs, für die Aussprache mit den Eltern, für die Mahnung, für den Streit, für die Beendigung dieser einen Sache oder aber fürs Reisen und Urlaub machen – ist nie.
Gute Nacht.