COVID-19, Tag 865: Dunkle Zeiten

Die Pandemie ist ein Laborversuch für das Konzept der dunklen Zeiten. Und wir sind natürlich mittendrin statt nur dabei.

Montag, 25. Juli 2022, Tag 865 der Corona-Pandemie. Das „Gripperl“ oder die Pseudokrankheit, bei der man gerade mal „2 Tage ein bisserl Schnupfen hatte“, ist scheinbar keine mehr. Und überhaupt, was soll das ganze Theater. Immerhin, Deutschland und Österreich debattieren, so der Titel im Standard, über die Aufhebung der Quarantänepflicht. Es soll künftig lediglich Verkehrbeschränkungen für Corona-Infizierte geben. Ausnahmen sind: Spitäler, Pflege- und Behinderteneinrichtungen, Kindergärten, Volksschulen und Horte, außer – und so viele Gesichtspalmierungen kann ich in meinem Leben nicht durchführen – die betroffene Person ist dort beschäftigt.

Wir verteidigen unseren Meistertitel: Auch am 865. Tag der Pandemie sind wir an der Spitze.

Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber ich lese diese Nachrichten und fasse es kaum, dass man nach 865 Tagen Pandemie noch immer keinen Weg gefunden hat, die Sache entweder unter Kontrolle zu bringen oder zumindest ein Regelwerk aufzustellen, an das man sich halten kann ohne früher oder später als – Stichwort „Impfpflicht“ – der Dumme dazustehen.

Erleuchtend hingegen ist es, die ganze Sache einmal miterlebt zu haben. Mein Verständnis des Begriffs „dunkle Zeiten“ (im Sinne von zB „dunkles Mittelalter“) ist nun ein völlig anderer. Ich denke, „dunkle Zeiten“ sind genau das, was wir jetzt gerade erleben: Eine mehrfach gespaltene Bevölkerung, von der der eine Teil in Verunsicherung untergeht und Sicherheit vermittelnde Nachrichten sucht, und der andere Teil, der einem an Absurdität kaum zu überbietenden Weltbild folgt und dabei die Herkunft von Narrativen, Erzählungen, Kausalitäten und – ja, letztlich läuft es darauf hinaus – Heilsversprechen nicht in Frage stellt. Ukraine und Russland kommen nun auch noch dazu. Und die Unsicherheit, sich im Winter das Heizen leisten zu können. 3 Ereignisse und eine Gesellschaft neigt sich so stark, dass es einigen wenigen gelingen kann, sie zum Kippen zu bringen. Blöd halt nur, dass Nationalismus, Patriotismus, Revisionismus und andere, Heilsversprechungen zugrunde liegende Konzepte hier nichts bringen und die Probleme nicht lösen werden. Et voila, hierin liegt das Attribut „dunkel“: Halbwegs einfach verständlich gemachte Probleme werden halbwegs einfach erklärten Lösungsmodellen gegenübergestellt. Sie alle treffen die Sache im Kern nicht, streifen aber stark genug daran, um Abrieb zu erzeugen und die einen oder anderen auf dem Weg mitzunehmen.

„Dunkle Zeiten“ – oder sehe ich hier etwas falsch? Ist es vielleicht mein prepandemisches Wahrnehmen gegenwärtiger Entwicklungen, die mich das, was jetzt passiert, mit einer von mir nicht mehr als solcher wahrgenommenen Voreingenommenheit sehen lassen? Sind für mich irrationale Wertesysteme – hier spreche ich primär von solchen religiöser Natur, aber auch von solchen, die auf mich religiös wirken, wie zum Beispiel das, was Telegram-Evangelisten predigen, also Inhalte, die in ihrer Aussage derart konstruiert sind, dass sie nur noch durch den Glauben daran gestützt werden können – nicht mehr nachvollziehbar? Sehe ich mich in meiner Wahrnehmung an einem Pol positioniert, dem teilweise chaotische, teilweise aber eben organisierte Informationsvermittlung gegenübersteht? Verstehe ich gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche oder kulturelle Zusammenhänge so überhaupt nicht (mehr), dass ich die Hilflosigkeit ausschließlich in meiner eigenen Betrachtung als blinden Fleck und damit als dunkle Zeit charakterisiere? Was ist mit China? Was macht China? Warum interessiert niemanden mehr China? Immerhin, dort kommt TikTok her. Und das beeinflusst uns über die Maßen!

Ungeordnete Fragen und Gedanken. Daher wieder ein Beitrag, der mit mehr Fragen als Antworten endet.

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