Evan Puschak, der unter dem Pseudonym „nerdwriter“ immer wieder zum Nachdenken anregende Video-Essays erstellt, sieht in einem neuen, solchen Essay die wahre Gefahr von ChatGPT im Verlust des reflexiven Moments, welches in der Natur des Schreibens liegt.
Es ist schon bemerkenswert, wie schnell die Themen Schule und ChatGPT aufeinandertreffen. Vor kurzem erst habe ich über ChatGPT im Kontext Schule geschrieben, heute schon wieder ein Beitrag, in dem die beiden Themen aufeinanderprallen. Die Gefahr, die von ChatGPT ausgeht, dürfte also ganz grundsätzlich in dieser, ihrer ersten Wahrnehmungswelle, dort angesiedelt sein. Und das ist ja auch nicht unbegründet.
Ob nun ein, wie im Kontext Schule erwähnt, auf Benotung basiertes System erschüttert wird, weil sich herausstellt, dass die eigentliche Leistung nie Gegenstand der Beurteilung war, oder ob es um den Verlust der eigenen Sprache, wie es Evan Puschak befürchtet, geht, in beiden Fällen setzt die Gefahr bei den Jüngsten, Formbarsten und Verletztlichsten unserer Gesellschaft – Kindern und jungen Erwachsenen – an, die vom Chatbot potentiell nachhaltig schädlich beeinflusst werden könnten.
In my twenties, when I began to wonder, who I really was and what I really believe, questions that come for all of us, I discovered that writing, structuring language of my own, was the only way to find out. That’s when the foundation, teachers worked so hard to give me, proved its immense value.
Evan Puschak
Worum geht es dem nerdwriter aber eigentlich? Das zu erklären, ist schon eine Herausforderung, vor allem, weil man meiner Meinung nach nicht davon ausgehen kann, dass alle Menschen die Tätigkeit des Schreibens nutzen, um Gedanken zu entwickeln, zu formulieren, zu präzisieren, zu kritisieren und, bestenfalls, wieder ins eigene Denken überzuführen. Hinter diesem Gedanken steckt schon die Grundannahme der Tätigkeit des Schreibens als probates Mittel reflexiven Denkens. (Und ich stelle jetzt, hier, beim Schreiben, beim Denken also, fest, dass dieses Thema hier immer und immer wieder aufkommt. Der Artikel „Warum bloggen?“ beschäftigt sich mit dem „find your voice“ durch die Tätigkeit des Bloggens. Die „Kronen Zeitung in den Köpfen ihrer Leser“ zitiert Elfriede Jelinek, die auf den Zusammenhang von Denken und Sprache hinweist. In „Fremdsprachen reduzieren die Befangenheit“ weise ich auf Erkenntnisse hin, aus denen hervorgeht, dass Vorurteile und Befangenheiten manchmal der Logik und Grammatik einer Sprache inhärent sind und bewusst aufgearbeitet werden müssen. Und die Frage, wofür Literatur eigentlich gut sei, beantwortet sich nun schon fast von selbst, wenn uns klar ist, dass wir die Vokabel brauchen, um uns ausdrücken und Gedanken bilden zu können.) Ach herrje, jetzt habe ich mich in der Klammer verloren. Aber gut, ich hoffe, man verzeiht mir. Kommen wir zum Thema zurück. Worum geht es dem nerdwriter in seinem Video eigentlich?
Evan Puschak fürchtet, dass die Nutzung von ChatGPT uns zu Bearbeiter:innen vorgelegter Texte degradiert. Das ist zwar prinzipiell in Ordnung und für fade Gebrauchstexte wie Reports, Lebensläufe und dergleichen auch angebracht, nicht aber für Texte, die von uns Reflexion, Denken und das zu Papier bringen dieser Synthese aus externen Inhalten, Gedanken, Argumenten oder Ereignissen mit unserer bereits vorhandenen Gedankenwelt, unseren Einstellungen, mentalen Abbildern und emotionalen Verbindungen verlangen, wie das zum Beispiel bei der Textform Essays der Fall ist. Es geht also nicht um eine allgemeine Wissensvermittlung, die er in Gefahr sieht, sondern um die höchstpersönliche Wissensbildung, diese einzigartige Herausbildung der Gedankenwelt eines Menschen durch „einzigartiges Verstehen“ („understand uniquely“), die der Chatbot, so er die mühsame und langsame Tätigkeit des Schreibens übernimmt, verhindert.
Bearbeiten wir nur den Text, den ein Chatbot verfasst hat, überspringen wir den Teil, der uns zu reflektieren, nachzudenken und Worte zu finden zwingt. Wir übergeben die Macht der Wahl von Worten an eine Maschine. Wir landen am Siegerpodest (gute Schulnote) nicht nur ohne überhaupt gelaufen zu sein, nein, noch schlimmer: ohne zu wissen, wie man überhaupt läuft.
Language is how human beings understand themselves and the world, but writing is how we understand uniquely. Not to write is to live according to the language of others or, worse, to live through edits, tweaks, and embellishments to language generated by an overconfident AI chatbot.
Evan Puschak
Die Schule und die Ausbildung ist das eine Thema. Was aber damit einhergeht, ist die Herausbildung einer, nein: unserer Persönlichkeit. Auch wenn es einige nicht wahrhaben wollen, aber das Verarbeiten von Geschehnissen, egal, ob sie sich tatsächlich (am Schulhof) oder fiktiv (in der Pflichtlektüre) ereignet haben, beeinflusst, nebst Genetik, die Herausbildung unserer Persönlichkeit. Die Natur gibt uns das Werkzeug der Neugier, des Intellekts, der Emotion, des Körpers und all der anderen Möglichkeiten, intellektuelle, emotionale oder sinnliche Erfahrungen zu machen. Sie in Gedanken zu fassen, müssen wir schon selbst erledigen, denn die Logik und Grammatik, sowie das Vokabular einer Muttersprache ist nicht naturgegeben. Diese Dinge müssen in der geistigen Entwicklung von Kind zu Erwachsenem erworben und nutzbar gemacht werden.
Wem es gelingt – und hier widerspreche ich Evan Puschak, der das als allgemeine Regel annimmt, denn ich bezweifle, dass es allen Menschen möglich ist, die sprachlichen Kompetenzen zu erwerben, auszudrücken, wer sie eigentlich sind – wem es also gelingt, das Arsenal an Vokabeln und Grammatik gut zu nutzen, der wird selbst mit höchstpersönlichen Fragen, die uns niemand, außer wir selbst, beantworten kann, zurechtkommen und sich und seine Umwelt gedanklich passend abbilden können. Wie sehr leiden doch Menschen daran, und wir sehen sie überall um uns herum, wenn sie einen Gedanken nicht ausformulieren können oder, schlimmer noch, schlichtweg nicht in der Lage sind, die Komplexität ihrer Lage und ihres Lebens zu erkennen, weil ihnen die Fähigkeit fehlt, sie auch nur annähernd in Worte zu fassen. Wie sehr nicken wir doch verständlich, wenn wir aus den alltagssprachlichen Verkürzungen heraus auf den emotionalen Zustand einer Person rückschließen, die uns auf die Frage über das aktuelle Wohlbefinden, mit einem „Tja!“ antworten.
Es gibt etliche Mittel, nicht nur das Schreiben, um Gedanken auszubilden und – auch dieser Aspekt fehlt mir in Evan Puschaks ChatGTP-Video – zu reflektieren. Ich glaube, dass Musik so ein Mittel ist. Oder das Malen. Ich kann es zwar nicht nachvollziehen, lese aber immer wieder, dass auch der Tanz ein solches Mittel ist. Ich glaube das alles gut und gerne, sofern ein Schaffensprozess hinter der Tätigkeit zu finden ist. Manchmal bilde ich mir ein, Malerei zu verstehen (wenn ich sehr, sehr viel vorher darüber lese), bei manchen Gefühlsregungen mache ich lieber Musik (als zu schreiben) und, dem Gedanken folgend, kann ich mir auch sehr gut vorstellen, dass es wiederum andere Personen gibt, die den Tanz nutzen, um etwas auszudrücken oder darüber zu reflektieren.
Es fällt mir leicht, Evan Puschaks Argument zu folgen, denn es basiert auf der Annahme, dass Denken in Form von Sprache erfolgt und wir ein Produkt dieser Sprache sind. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das ein beispielsweise Kunst schaffender Mensch auch so sehen würde. In dieser Hinsicht bin ich offen und suche – nicht forciert, aber doch – nach Input, den ich in meine Gedankenwelt übernehmen und mein Verstehen der Welt um einen weiteren, kleinen Schritt vervollständigen kann. Ein Chatbot, den ich danach frage, wird mir die Antwort wohl nicht liefern können. Oder doch?
Es gibt verschiedene Mittel neben der Sprache, die uns helfen können, uns selbst besser zu verstehen. Eines davon ist die Kunst, die uns ermöglicht, unsere Emotionen auf tiefgründige Weise auszudrücken. Durch das Betrachten oder Machen von Kunst können wir unsere Gedanken und Gefühle reflektieren. Ein weiteres Mittel ist Sport und Bewegung, die uns helfen können, uns selbst besser kennenzulernen. Durch körperliche Aktivität können wir unsere Gedanken und Gefühle besser verarbeiten und uns auf uns selbst konzentrieren. Es ist wichtig, dass wir uns die Zeit und den Raum geben, um uns selbst zu reflektieren.
Den letzten Absatz hat ChatGPT geschrieben.