Das Gesundheitswesen hat ein gewaltiges Problem: Dort scheint nämlich das Fax trotz Verbots gar nicht erst wegdenkbar zu sein.
Das Fax ist im österreichischen Gesundheitswesen seit Anfang Jänner 2025 […] verboten. Doch offenbar wurde man in manchen Bereichen vom Verbot kalt erwischt. […] Das ist umso erstaunlicher, als das Faxverbot eigentlich schon früher in Kraft hätte treten sollen. Wegen der Coronapandemie wurde aber eine Ausnahme gemacht […] Seit 1. Jänner 2025 ist allerdings Schluss: Das Gesundheitstelematikgesetz besagt, dass keine Gesundheitsdaten oder genetische Daten mehr per Fax übermittelt werden dürfen. Ausnahmen? Keine.
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Wer sich allerdings so richtig fremdschämen möchte, liest, zu welchen Ersatzmaßnahmen und alternativen Kommunikationsformen das Faxverbot führt. Was hier passiert, ist an unangenehmer Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten, schweineteuer, und in seinem technologischen Fortschritt sehr nahe an der Brieftaube. Vom Schutz der auf diversen Datenträgern transportierten Daten möchte ich gar nicht erst sprechen.
So soll es vorkommen, dass USB-Sticks mit Befunden oder CD-ROMS mit Röntgenbildern mit dem Taxi oder dem Rettungsdienst zwischen Wien und Niederösterreich hin und her transportiert werden, weil die Kommunikationskanäle inkompatibel sind. Diese Methoden erinnern mehr an das 19. Jahrhundert als das 21.
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Ein ganz klein wenig das Gesicht wahren kann man überhaupt nur noch, wenn man erfährt, wie kompliziert und offenbar für die im Gesundheitsbereich übliche Geschwindigkeit untauglich die eingeführten Alternativen zum Fax waren bzw. sind. Außerdem dürften Ärzte und andere, im Gesundheitsbereich tätige Menschen schon früh auf die praxisfremden und somit im Alltag untauglichen Alternativen – im Beispiel unten SAP und FTAPI – hingewiesen haben, die ihnen vorgesetzt wurden.
Zwar stellt die [Österreichischen Gesundheitskasse] seit 15. Dezember ein Webbrowser-basiertes System als Faxersatz bereit. Es läuft auf Cloudservern der Firma FTAPI (File Transfer Application Platform for Integration). […] Doch sei dieses System mit den in Österreich üblicherweise genutzten IT-Systemen meist inkompatibel, ärgert sich die österreichische Ärzteschaft. […] Freilich steht FTAPI damit nicht alleine dar. Eine Studie der Umstellung von Papier auf ein SAP-System an einer chirurgischen Abteilung […] fällt ein vernichtendes Urteil: Während Ärzte mehr Zeit in Krankenzimmern verbringen konnten, waren Pflegepersonal mehr mit elektronischer Dokumentation befasst und konnten sich weniger um die Patienten kümmern. Hinsichtlich Bedienbarkeit ist das SAP-System demnach bei allen Nutzergruppen durchgefallen. […] FTAPI-Eingaben laufen über das Internet: Der Nutzer muss auf einer Webseite ein Ticket ziehen, woraufhin ihm per E-Mail in Hyperlink zu gemittelt wird. Dieser Link, wieder im Webbrowser geöffnet, erlaubt dann den Upload von Dokumenten. Nach 90 Tagen sollen hochgeladene Daten automatisch gelöscht werden.
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Wir müssen jetzt alle sehr stark sein, liebe Österreicherinnen und Österreicher. Vor ein paar Tagen noch, habe ich meine Finger tief in die digitale Wunde unseres deutschen Nachbarn gebohrt und die Verfügbarkeit von KI-Anfragen per Fax im Jahr 2025 nicht warhaben wollen, nein, sogar als „Fehler in der Matrix“ bezeichnet. Aber wie so oft, zeigen mindestens drei Finger auf einen selbst, wenn man mit dem Finger zeigt. Und wenn ein USB-Stick mit dem Rettungswagen von St. Pölten nach Wien transportiert wird, weil die digitalen Systeme zur Datenübermittlung nach so vielen Jahren, in denen wir von Digitalisierung und Datenschutz sprechen, nicht miteinander kompatibel sind, dann möchte man vor Scham versinken.
Andererseits ist die ganze Sache wieder ein Paradebeispiel dafür, was es bedeutet, wenn ein funktionierendes System durch Regulierung (und nicht durch relevante, anstrebenswerte Entwicklungen und somit von innen heraus) zu Veränderungen gezwungen wird. Der Pullfaktor siegt in solchen Belangen immer über den Pushfaktor; eine aufoktroyierte Veränderung von außen wird nie so gut funktionieren wie eine von innen heraus. Das Leben findet immer einen Weg, auch wenn der dann bedeutet, dass ein Taxi USB-Sticks oder CD-ROMs mit höchst persönlichen Gesundheitsdaten in der Gegend herumführt.