Die Gynäkologin Jen Gunter spricht in etwas über zehn Minuten verschiedene Mythen an, die in Zusammenhang mit der Periode nach wie vor kursieren. Es geht um die Abstimmung und Synchronisation der Zyklen verschiedener Individuen, ums Vorhandensein von Pheromonen, um die Dauer eines Zyklus, seinen Sinn und Zweck, und um viele andere, der Natur oder der Evolution zugeschriebene Wunder und Mythen, die allesamt aber auch gar nichts mit dem zu tun haben, was die Wissenschaft beobachten und feststellen kann. – Auf Big Think, dort kommt der Artikel eigentlich her, gibt es die Transkription zum Video und einen Begleitartikel mit dem Titel “Period myths that ‘just need to die’“.
Und weil ich mich hier auf meinem Blog gerne mit dem Problem von Entscheidungen und deren Begründungen auseinandersetze, sie infrage stelle und ihre Argumentationsstränge dekonstruiere, ist mir dort, beim Lesen des Transkripts, erst bewusst geworden, was Jen Gunter zum Thema Menstruations- und Periodentrackerapps zu sagen hat und wie sich das auf die Wahrnehmung des Selbst auswirkt.
People use apps for their menstrual cycle in a couple of different ways. They may use them just as a tracker to see kind of what’s going on, and they may also use them as part of a fertility awareness method. […] There was a study where they looked at women who had tracked their cycles, and what happened was, when their period didn’t come when the app predicted, the women blamed their bodies as opposed to blaming the app for being incorrect with the prediction, meaning: Also, there is a dark side of apps, whether you’re using them to just track your cycle or if you’re using them as part of a fertility awareness method in that your data may not be secure.
Die Überantwortung der Verantwortung über das eigene Wohlbefinden an eine App ist schon ein starkes Stück, aber selbst mir in anderem Zusammenhang nicht unbekannt. Nicht nur habe ich mir zu Beginn meiner Zeit mit der Apple Watch selbst oft viel zu viel zugemutet, obwohl mein Körpergefühl Ruhe gefordert hat, auch anderen Menschen geht es offenbar häufig so. Sie blicken auf ihre Watches, um mir auf die Frage, ob sie gut geschlafen haben, Antwort zu geben. Sie holen ihr Smartphone hervor, um auf die Frage, ob es ihnen gut geht, mit einem “Score”, einer “Body Battery” oder irgendeinem anderen, arbiträr berechneten und in Prozenten ausgedrückten Wert zu antworten, der mir – und wahrscheinlich auch ihnen – zwar etwas, nicht aber die Antwort gibt, nach der sie suchen.
Apps diktieren, ob der Schlaf gut war, ob das Workout gut war, wieviel noch zu gehen ist, wieviel noch zu essen ist… Apps erklären einem sogar, ob man einen guten oder schlechten Tag oder, ob der gerade eben absolvierte Lauf Spaß gemacht hat.
Und nun, da ich es geschafft habe, in einem Artikel über Mythen der Menstruation erst recht über mich zu sprechen und ein Comic dazugepostet habe, in dem nur Männer zu sehen sind, lasse ich es besser wieder bleiben, schließe aber mit einem der ersten Absätze im Transkript des Videos, in dem Jen Gunter alle auffordert, sich zumindest einen grundlegenden Wissensstock über ein Phänomen aufzubauen, das die Hälfte der Weltbevölkerung betrifft.
Historically, education about the menstrual cycle has been dismal. It’s all framed in the context of pregnancy and preventing pregnancy, as opposed to about the menstrual cycle and what it means for a person’s body. If we can’t talk about it, if we can’t share knowledge about it, then the implication is that it doesn’t matter. […] If you have a menstrual cycle, if you love someone who has a menstrual cycle, and I know that you came from someone who had a menstrual cycle, you should want everybody to be able to access the same level of care.
Und wenn das nicht die 10 Minuten wert ist, die das Video dauert, dann weiß ich auch nicht mehr weiter.