Ich rede gar nicht lange drum herum, die „Später senden“-Funktion in Apple Mail unter macOS Ventura ist nicht der Burner. Nein, eigentlich ist sie ein #fail.
Alle E-Mailservices (zB Gmail oder Office 365) und modernen Mailprogramme wie zB Spark bieten die „Später senden“-Funktion schon seit Jahren an. Apple hat endlich – endlich! – nachgezogen und seine Version der Funktion mit macOS Ventura in die hauseigene, mittlerweile etwas in die Jahre gekommene Mail-App gebracht.
Später senden?
Was bedeutet „Später senden“? Nun ja, genau das: Man verfasst ein E-Mail und kann es später, also zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft, automatisch versenden lassen. Technisch ist das recht einfach und solide gelöst: Die besagten E-Mails werden in der Cloud abgelegt und versendet, sobald der vordefinierte Zeitpunkt erreicht ist. Die Cloud ist der sicherste Aufbewahrungsort für E-Mails im Postausgang, weil sie immer online und unabhängig vom User oder seinen Geräten verfügbar ist, um E-Mails versenden zu können. Alles in allem ein einfaches, solides und komfortables System, um die Sonntagnachmittagmails am Montag in der Früh zuzustellen, während man unterwegs ist ins Büro.
Einfach, solide und komfortabel? Nicht so in der macOS Ventura-Version von Apple Mail.
Einfach: ja. Solide und komfortabel: nein.
Apples „Später senden“-Funktion fehlt ein entscheidendes Element, über das alle anderen „Später senden“-Funktionen anderer Anbieter verfügen. Die Mail-App in macOS Ventura synchronisiert nämlich die im Postausgang wartenden E-Mails nicht mit einer immer verfügbaren und vom Gerät unabhängigen Cloud, die dann das Versenden zum angegebenen Sendezeitpunkt übernimmt, sondern setzt darauf, dass das Endgerät, auf dem das zu sendende E-Mail verfasst wurde, zum Sendezeitpunkt eingeschaltet und online ist. Das steht sogar in dem an Einfältigkeit nicht zu überbietenden Popup-Dialog zur Auswahl des Sendezeitpunkts (siehe Screenshot).
Diese E-Mail wird an der von dir gewählten Zeit von diesem Gerät gesendet. Stelle sicher, dass das Gerät mit dem Internet verbunden ist, um die E-Mail senden zu können.
Auswahldialog zur „Später senden“-Funktion in Apple Mail unter macOS Ventura
Jeder hier fett markierte Punkt ist ein potentieller Unsicherheitsfaktor in der Ausfallsicherheit und somit Zuverlässigkeit des Versands eines zu einem bestimmten Zeitpunkts zu versendenden E-Mails.
Fanboys werden jetzt Sturm laufen und – berechtigterweise – die Frage stellen, wo ich denn da das Problem sehe, da ja ohnehin alle Geräte immer online seien. Nun ja, das mag in vielen Fällen stimmen, aber eben nicht in allen. Entweder, ich biete als Hersteller ein „Später senden“-System an, das ausfallsicher und absolut zuverlässig ist (Gmail oder Office 365 speichern solche Mails direkt, Mailprogramme wie Spark durch eine temporäre Kopie in der Cloud) – oder eben nicht. Was Apple da abgeliefert hat, ist, um meine drei Punkte von vorhin heranzuziehen, nur in einem der drei Aspekte positiv zu beurteilen.
- Ist Apples Später senden-Funktion einfach zu benutzen? Ja, viel einfacher als auf ein Dropdown zu klicken und einen vordefinierten Zeitpunkt auszuwählen oder selbst einen zu bestimmen, geht eigentlich nicht.
- Ist Apples Später senden-Funktion solide und zuverlässig? Nein, keinesfalls, denn die Funktion ist ein Kompromiss, der am kritischsten Punkt der ganzen Sache, nämlich an der Verfügbarkeit des das E-Mail sendenden Geräts zum Zeitpunkt des Versands, angesetzt ist.
- Ist Apples Später senden-Funktion komfortabel? In meinen Augen nicht, da ich mich um etwas kümmern muss, um das sich eigentlich die Technik kümmern sollte, nämlich, um ein zum Zeitpunkt des Versands online verfügbares Gerät.
Bei so einer Ankündigung, wie sie in der Dialogbox (und in meinem Zitat oben) zu sehen ist, würde ich zum Sendezeitpunkt nervös prüfen, ob mein Mac, auf dem das E-Mail geschrieben wurde, tatsächlich online war und das E-Mail verschickt hat. Das ist nicht komfortabel. Unter solchen Bedingungen kann ich mir gleich eine Erinnerung im Kalender einrichten und das E-Mail selbst verschicken.
Zusammenfassung bzw. tl;dr
Ich habe mir die Mail-Applikation in macOS Ventura angesehen und ihr nun schon sehr in die Jahre gekommener Look überzeugt mich nach wie vor nicht. Dieser designmäßige Gruß aus den frühen 2010er-Jahren tut seinen Dienst, aber kommt an moderne Mailprogramme oder die Interfaces der gängigen Cloud-Anbieter nicht heran. Nun, da Apple mit Jahren Verspätung (!) mittlerweile gängige und alltäglich genutzte Funktionen in seiner Mail-Applikation implementiert hat (Später senden, Erinnerungen, usw.), habe ich hoffnungsvoll auf die Später senden-Funktion geschaut. Ein genauerer Blick auf die Art der Umsetzung hat mich dann aber doch wieder enttäuscht zurückgelassen. Die Später senden-Funktion wurde auf eine Art und Weise implementiert, die Bedingungen schafft, welche genau das Gegenteil dessen bewirken, was die Funktion als solche soll, nämlich: Stress reduzieren.
Wenn ich, der User, mich darum kümmern muss, dass bestimmte, spezifische Bedingungen zu einem bestimmten, spezifischen Zeitpunkt in der Zukunft vorherrschen (Mac muss eingeschaltet und online sein), dann kann ich mir gleich einen Kalendereintrag einrichten und mich selbst daran erinnern, dieses oder jenes E-Mail zu einem bestimmten Zeitpunkt zu versenden. Also nein. Abermals hat die mit dem Systemupdate mitgelieferte Software nicht gehalten, was groß angekündigt wurde.
Ein wenig fühlen sich die Apple Updates mittlerweile an wie diejenigen, die ich vor Jahrzehnten mit Windows hatte: Man hat das Update installiert, sich mal kurz die mitgelieferten Programme angesehen (Do you remember Outlook Express?), blieb aber dann doch bei Thunderbird und Firefox.
Hmm, es gibt einen eigenen Ordner namens „Später Senden“ links in der Ausklappliste. Mein MacBook versendet die Nachrichten auch im Ruhezustand! Nicht so gut finde ich an der neuen Funktion, dass der gesendet Abgleich (noch) nicht sauber läuft, sprich im Gesendet-Ordner steht die falsche Uhrzeit.
Ich finde die Implementierung generell gut, weil mein Mailkonto Passwort nicht wie bei z.B. Outlook oder Spark auf deren Server übertragen wird (voll NoGo).
Hi Waschi, danke für deinen Kommentar! Die Bedenken bezüglich Authentifizierungsdaten auf einem Drittsystem kann ich absolut nachvollziehen. In so einem Fall muss der Service, der das durchführt, für einen selbst schon einen ordentlichen Mehrwert haben, der die Bedenken des Übertragens von Zugangsdaten übertrifft. Vollstes Verständnis dafür.
Was mir an Apples Lösung nicht gefällt, ist die Abhängigkeit, die ein später zu sendendes E-Mail hervorruft, wodurch die Funktion für mich wieder ad absurdum geführt wird. Wenn ich schon später senden will, dann muss das (meiner bescheidenen Meinung nach) unabhängig vom Endgerät funktionieren. Bei Apple ist es aber genau das: Das Endgerät muss sich in einem Modus befinden, der es möglich macht, so zu versendende E-Mails abzuschicken. Das ist für ein gelegentlich später gesendetes E-Mail zwar in Ordnung, wenn du aber keines deiner Geräte zum Zeitpunkt des Versendens online haben kannst, wird es problematisch. Probier’s doch mal aus, was passiert, wenn du ein E-Mail für Zeitpunkt X planst und zu diesem Zeitpunkt all deine Geräte tatsächlich ausgeschaltet sind (nicht Ruhezustand).
Und der andere Aspekt, der mich bei Apples Variante stört, ist, dass ich sehr wohl akzeptieren würde, dass es ja immer irgendein Gerät gibt, das online ist. Doch, wenn ich es recht verstanden habe, es kommt zu keiner Synchronisierung der zu sendenden E-Mails über die eigenen Geräte hinweg. Wenn du also auf deinem MacBook ein E-Mail schreibst und für in 2 Stunden planst, das MacBook dann komplett ausschalteste, aber dein zB iPhone online hast… wird das E-Mail dann gesendet? So, wie ich das verstehe, nein! – Und das wäre ja nun wirklich einfach zu synchronisieren und auszuführen gewesen. Und da verstehe ich tatsächlich nicht, warum Apple diesen Weg nicht eingeschlagen hat.
Hi. Habe soeben erstmals eine E-Mail auf den kommenden Sonntag terminiert (in 3 Tagen) und war überrascht über diese „unvollständige Neuerung“. Kommt für mich hinzu: Mit dem Terminieren verschwand das weggespeicherte E-Mail vom Radar (nicht in Entwürfen, nicht im Postausgang etc.). Ich fand’s dann wieder über Suchen irgendwo im Mailprogramm. Sinnvoll wäre, wenn man „geparkte Mails“ irgendwo sehen könnte – u.a. auch um später zu checken ob sie richtig versendet wurden!
Du bestätigst auch, was ich mir denke: Die Sache ist nicht zu Ende gedacht und programmiert. Es sind genau diese Unzulänglichkeiten (wobei ich nicht weiß, ob man das „Verschwinden“ einer E-Mail nur noch als „Unzulänglichkeit“ bezeichnen kann), die die neuen Funktionen für den alltäglichen Betrieb mühsam, wenn nicht sogar nicht benutzbar machen.
Was allerdings die „geparkten“ E-Mails angeht, so bilde ich mir ein, dass ich einen Postausgang-Ordner gesehen hätte, wo die solange vorgehalten werden, bis eben der Sendezeitpunkt eintritt. (Wobei dein Nachsatz – „um später zu checken ob sie richtig versendet wurden“ – für mich eine Usability- und Trust-Katastrophe ist. Wenn man sich nicht auf eine App verlassen kann, dann… ja. Eher nicht.)
Danke für den Artikel, der exakt auch meine Enttäuschung widerspiegelt.
Ich würde das noch gerne ergänzen: Eine Erinnerungsfunktion, die eine entsprechend behandelte Email lediglich mit einem kleinen Sticker versehen in der Inbox zurück lässt, kann ich ebenfalls nicht gebrauchen. Hier hätte ich erwartet, dass eine Mail, an die ich zu einem spezifischen Zeitpunkt erinnert werden möchte, aus der Inbox verschwindet und erst zu dem Zeitpunkt dort wieder auftaucht, an dem ich an sie erinnert werden wollte (Stichwort: Zero-Inbox-Prinzip). Auch hier Enttäuschung auf ganzer Linie.
100% that! Ja, ich glaube, wir müssen akzeptieren, dass Apple es einfach nun schon seit Jahren nicht hinbekommt, seine Software für den alltäglichen Gebrauch für den alltäglichen Gebrauch tauglich hinzukriegen. Man kann das natürlich sehen, wie man will, aber ich verlasse mich schon seit längerem nur auf Apples Hardware und – notgedrungen – aufs Betriebssystem. Alle relevanten Programme und Funktionen sind ohnehin mittlerweile entweder zugekauft oder in die Cloud ausgelagert.
Aber ja, Mail unter Ventura ist ein Pseudofortschritt und eine halbherzige Lösung, um die größten Kritiker irgendwie zu beruhigen. Aber ein echter Fortschritt, ein echter Quantensprung in Usability und Fortschritt sieht ganz anders aus.