Über die Copilot-AI in Excel

Über die gegenwärtige Implementierung Künstlicher Intelligenz in Excel kann man lachen. Man kann aber auch hinter den Vorhang blicken und das Ziel der KI-Strategie von Microsoft nur erahnen, wenn das Unternehmen das Risiko eingeht, eine fehlerbehaftete Funktion in sein Software-Flaggschiff zu implementieren.

Barry Petchesky lässt an der Implementierung Künstlicher Intelligenz in Excel kein gutes Haar. Und diese Phrase streift das, was er da schreibt, eigentlich nur. Aber gut: Was will man auch von einer Funktion, vor der der Hersteller selbst de facto warnt.

Think of it. Forty-five hundred years ago, if you were a Sumerian scribe, while your calculations on the world’s first abacus might have been laborious, you could be assured they’d be correct. Four hundred years ago, if you were palling around with William Oughtred, his new slide rule may have been a bit intimidating at first, but you could know its output was correct. In the 1980s, you could have bought the cheapest, shittiest Casio-knockoff calculator you could find, and used it exclusively, for every day of the rest of your life, and never once would it give anything but a correct answer. You could use it today! […] But now we have Microsoft apparently determining that „unpredictability“ was something that some number of its customers wanted in their calculators.

Barry Petchesky

Dieser Absatz wurde gut, gerne und häufig in den sozialen Medien geteilt und wir alle haben uns, die einen mehr, die anderen weniger süffisant gefreut. Doch Barry Petcheskys Artikel hält noch einen weiteren, in gewisser Weise viel bedrohlicheren Absatz parat, der seine Wirksamkeit zwar weniger aufs Publikum bezogen, mehr aber auf die Folgen des Einsatzes der Künstlichen Intelligenz trotz ihrer Schwächen (!) zeigt. Er wird nämlich auf lange Sicht wohl zu einem Rückgang von professionellen, in diesen Gebieten oder mit dieser oder jener Software arbeitenden und vertrauten Personen führen, die bereits fertig erprobte Lösungen für die verschiedenen Probleme haben, die aus der Nutzung der Software oder im jeweiligen Fachgebiet entstehen; im Gegenzug wird die Akzeptanz fehlerhafter Künstlicher Intelligenz zu einem exorbitant hohen Anstieg von Menschen führen, die eine von ihr vorgeschlagene Lösung eben „mit KI ausprobieren“, derart halbwegs passable Ergebnisse erzielen und mit solchen, in Wirklichkeit temporären Lösungen bereits zufrieden sind. Dass das auf lange Sicht zu einem Problem werden wird, scheint niemanden wirklich zu beunruhigen.

If using Excel professionally is both an art and a science, adoption of Copilot could easily lead to a generation no longer able to properly use or understand it, while still somehow not actually allowing them to produce a useable result. […] This is the most poisonous and perhaps longest-lasting result of so much of the AI explosion, and its subsequent force-feeding into every revenue-generating maw—and on some level, is the entire business model: Get people addicted to the thing to the extent they can no longer function without it, and they will simply have to learn to live with it doing a bad job.

Barry Petchesky

Was Barry Petchesky da behauptet, bestärkt die These der meisten, die sich kritisch mit den Auswirkungen der Technologie und dem Geschäftsmodell „Künstliche Intelligenz“ beschäftigen. Künstliche Intelligenz wird Unmögliches möglich erscheinen lassen und solche ohne Befähigung dazu befähigen, Dinge zu tun, die ihnen vorher mangels Wissen oder Können verwehrt blieben.

Wir steuern also auf eine Zeit zu, in der, wer mit dem Microsoft Flight Simulator gespielt hat, glaubt, ein Flugzeug sicher landen zu können. Seine Fehler gleicht die KI schon aus. Was bei der Landung mit einem Flugzeug allerdings womöglich noch die Instinkte als vielleicht doch eher problematisch klassifizieren, fehlt bei allem, was mit Software zu tun hat komplett. Da spürt man nichts. Das kostet fast nichts. Wenn da etwas kaputt geht, dann gibt es irgendwo irgendwen, der sich darum kümmert. Das ist ein gewaltiges Problem. Jetzt schon. Und vielen nicht klar, die sich so sehr auf die Nutzung von KI stützen und diesen Vorteil gegen diejenigen ausspielen, die professionell (im Sinne von „gelernt“) an den Dingen arbeiten.

Wenn Menschen, die nie mit Texten zu tun hatten, sich als Autoren bezeichnen und Bücher veröffentlichen, Menschen, die noch nie etwas gemalt, gezeichnet oder sonst irgendwie mit bildnerischen Darstellungen zu tun gehabt haben, sich nun als Maler bezeichnen und Plattformen nutzen, um ihre Kunst zu verkaufen, wenn Menschen, denen es nicht einmal gelingt, eine Melodie nachzupfeifen, plötzlich komponieren und die Streaminganbieter mit ihrer Musik überfluten, oder Menschen, die bislang mit einem Set an Excel-Formeln ausgekommen sind, aber noch nie wirklich verstanden haben, was da eigentlich passiert, mit einem Prompt etwas schaffen, das wie eine App aussieht und sich nun als Programmierer bezeichnen, dann geht die Zahl derer, die professionell, mit Ausbildung und dem hierfür notwendigen Hintergrundwissen schreiben, malen, komponieren, Musik machen oder programmieren natürlicher Weise zurück. Wenn Unternehmen diejenigen beschäftigen, die es „halbwegs hinkriegen“, warum sollten sie dann das x-fache für jemanden bezahlen, der es „professionell macht“? Am Ende scheint doch das Resultat dasselbe, oder etwa nicht? Das Ergebnis dieser Auswüchse ist bislang immer ein weniger als unterdurchschnittliches Level an Qualität, reduziert auf ein undefiniertes, minimales, abstraktes Werk, ein Minimum Viable Product (MVP) sozusagen, wenn auch zur produktiven Nutzung. Dass alles den Bach runtergeht, wundert da niemanden mehr.

Excel ist ja subtile Kunst, wie sogar Barry Petchesky schreibt. Wer aber mit offenen Augen durch die Stadt geht und die grauenhaften, mit KI erstellten Plakate betrachtet, Werbungen im Fernsehen sieht, die teils widerlich wirken, oder auf Websites stößt, die vor KI-generierten Texten und Bildern nur so strotzen und dabei völlig den ihnen innewohnenden Marketingzweck verfehlen, sieht, was Unterdurchschnittlichkeit bedeutet: Das, was Menschen, die keine Ahnung von der Materie haben, produzieren, ist sicherlich gut, wenn nicht sogar sehr gut im Vergleich zu dem, was die Betroffenen bisher geschaffen (und geschafft) haben. Gemessen an den in der Branche herrschenden Standards jedoch bestenfalls unterdurchschnittlich. Beweise dafür gibt es noch und nöcher. Selbst bei den ganz Großen. Ich möchte nicht in einer Welt des Mittelmaßes leben.

Aber von all dem Geleier abgesehen, ist dieses Anfixen, mit dem Unternehmen arbeiten, die Künstliche Intelligenzen bereit stellen, fast schon perfide. Wir wissen, das Ziel ist es, zur Infrastruktur des Web zu werden, wobei ich, nachdem ich von der Implementierung in Excel gelesen habe – etwas, von dem ich nicht dachte, dass es (so schnell) passieren wird, weil damit ja ein äußerst kritischer Bereich der Softwareinfrastruktur von Unternehmen, die vom fehlerfreien Funktionieren eben dieser Software abhängig sind, berührt wird – nun immer mehr glaube, KI soll noch weit mehr, nämlich ein Teil der Infrastruktur jeglicher Digitalisierung und Nutzung computergestützer Automatisation werden. Eine Ebene zwischen Mensch und Maschine, um die OpenAI, Google, Meta, Anthropic und wie sie alle heißen kämpfen; das erklärt auch die milliardenschweren Investitionen, die mit dem Investment in die reine Technologie nicht mehr vereinbar, sehr wohl aber mit der dahinterliegenden Strategie zu rechtfertigen sind.

Geht die Rechnung auf, verdient, wem es gelingt, sich diesen Platz zu erkämpfen, Summen, die unvorstellbar sind. KI wird dann nämlich zur Mehrwertsteuer jeglicher Softwarenutzung.

Wir befinden uns also in einem Zustand, den wir alle aus der Geschichte kennen. Auf der einen Seite gibt es den übermächtigen Akteur (den Monarchen, sozusagen), auf der anderen eine wenig begüterte und in der Zahl ihrer Talente sehr überschaubare, aber riesige Menge an Menschen. Dazwischen gibt es eine Mitte, die finanziell gut dasteht und sich bilden, ausbilden und fortbilden kann, es somit intellektuell locker mit den Spitzen der Gesellschaft aufnehmen kann und sie deshalb auch mehr und mehr herausfordert. Sie reagiert kritisch auf Veränderung und ist ein kontinuierlich brodelnder Faktor der Unzufriedenheit.

Diese Mitte lebt von ihrem Wissen. Sie verkauft ihr Wissen, das sie durch (Aus-) Bildung angesammelt hat, an die große Menge. Was aber, wenn man sie, die Akteure in der Mitte, durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz umgehen und aushebeln, und das Wissen in praktikabel nutzbarer Form unmittelbar an die große Menge weitergeben könnte? Würde man sich so, also durch den Wegfall der Notwendigkeit der großen Menge, sich an die Mitte zu wenden, um bestimmte Ziele zu erreichen, eben jener Mitte nicht einfach entledigen? Wäre es nicht der Clou des Jahrtausends, wenn man sich des Wissens der Mitte kostenlos bemächtigen und es in Computerprogramme einpflegen könnte, die man dann, gegen eine geringe Gebühr, der Masse zur Verfügung stellt? Alles Wissen dieser Welt im ChatGPT-Abo um zwanzig Euro pro Monat. Let’s go!

Bevor ich hier aber komplett in irgendwelchen marxistischen Interpretationen untergehe, belassen wir es doch einfach bei den folgenden Aussagen: Zum einen hat Microsoft Excel eine Funktion spendiert, die de facto ein fehlerhafter Rechner ist und Funktionalität in ein bislang perfekt funktionierendes Programm implementiert, vor der Microsoft selbst warnt. Zum anderen ist dieses erzwungene Implementieren Künstlicher Intelligenz in alltäglich genutzte Programme ein weiterer Schritt, um eine Ebene zwischen Nutzer und Software zu etablieren erzwingen. Vordergründig ermächtigt sie weniger Begabte zu mehr, tatsächlich aber senkt sie das allgemeine Niveau des Outputs insgesamt.

Wir beobachten weiter.

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