ChatGPT-Browsing ist wohl pures EEAT

ChatGPT hat neben vielen anderen Plugins auch eines verpasst bekommen, mit dem Webbrowsing möglich wird. Es ist interessant, wie die Verknüpfung von Prompt zu Suchergebnis und in Folge zur Beantwortung der Anfrage erfolgt.

OpenAI hat die Woche ein Plugin-Verzeichnis für seine KI ChatGPT veröffentlicht. Plugins erweitern die Funktionalität der ohnehin schon beeindruckenden Technologie und dass Reise- und Buchungsportale, Anbieter von Rechtstexten/Finanzdaten, Onlineshops, Tools zum Sprachstudium und ein Tool zur Automatisierung im Web hier initial mit dabei sind, zeigt, wohin die Reise geht.

Plugin developers […] can […] build a plugin for ChatGPT, which then lists the enabled plugins in the prompt shown to the language model as well as documentation to instruct the model how to use each. The first plugins have been created by Expedia, FiscalNote, Instacart, KAYAK, Klarna, Milo, OpenTable, Shopify, Slack, Speak, Wolfram, and Zapier.

ChatGPT plugins

Sicherlich am beeindruckendsten, zumindest für mich, sind allerdings die zwei Plugins, die OpenAI selbst mit an Bord bringt. Einerseits gibt es nun ein Modul, das Code interpretieren kann und, so OpenAI, für Tasks wie das Lösen mathematischer Probleme, Datenanalyse und Dateikonversion, alle drei auf Code-Ebene, genutzt werden kann.

Andererseits, noch viel beeindruckender für mich, hat OpenAI ein Browsing-Modul veröffentlicht, mit dem es möglich ist, den Corpus von Trainingsdaten, der bislang auf ein vorausgewähltes Set beschränkt war, auf aktuelle Websites auszuweiten und diese mit allen Interaktionsmöglichkeiten des Tools zu nutzen. So ist es – OpenAI bringt das Beispiel im Blogbeitrag selbst – mithilfe des Browsing-Plugins nun möglich, einen Prompt wie „Wer und welcher Film hat einen Oscar für die Kategorien beste:r Darsteller:in, bester Soundtrack […] gewonnen? Stelle die Antwort als Gedicht dar!“ anzugeben, was dazu führt, dass ChatGPT das Web durchsucht (SEO is safe and alive!) und dokumentiert, wie die Antwort/das Ergebnis zustande kommt.

Ein sehr interessanter Aspekt für die Content- und Marketingarbeit auf Websites, besonders für diejenigen, die sich mit dem Thema Suchmaschine und SEO beschäftigen, ist dieser Hinweis von OpenAI, der gerade einem Unternehmen wie Google, sofern sich dort nicht endlich etwas tut, ordentlich zusetzen könnte. Denn so schnell, wie ich damals AltaVista bzw. Yahoo mit Google ersetzt habe, so schnell kann es heute wieder passieren, dass ich eine andere Suchmaschine – oder gar ChatGPT selbst als eine Art Suchassistent – nutze.

Browsing retrieves content from the web using the Bing search API. As a result, we inherit substantial work from Microsoft on (1) source reliability and truthfulness of information and (2) “safe-mode” to prevent the retrieval of problematic content. The plugin operates within an isolated service, so ChatGPT’s browsing activities are separated from the rest of our infrastructure.

Sieh einer an. Nicht ChatGPT evaluiert die Ergebnisse, sondern verlässt sich auf die EEAT-Kriterien der Suchmaschine. Das macht das Spiel interessant, sehr sogar. Denn das ist eine Mischung aus redaktionellen Kriterien, die auf technischen Kriterien aufsetzen, aber die Herausforderung mit sich bringen, subtilere Zugänge, die sich im Content widerspiegeln, verständlich zu machen. Ich zitiere hier Google, weil die Erklärung besser ist als die, die Bing selbst bereitstellt:

Um unsere Ergebnisse besser bewerten zu können, erhält E-A-T jetzt ein weiteres E für „Experience“ (Erfahrung). Zeigt der Inhalt auch, dass er mit einer gewissen Erfahrung erstellt wurde, z. B. basierend auf der tatsächlichen Verwendung eines Produkts, mit dem tatsächlichen Besuch eines Ortes oder mit der Beschreibung des Erlebten durch eine Person? Es gibt Situationen, in denen euch Inhalte am wichtigsten sind, die von jemandem zusammengestellt wurden, der selbst Erfahrung mit dem jeweiligen Thema hat.

Wenn ihr beispielsweise Informationen zum richtigen Ausfüllen eurer Steuererklärung sucht, möchtet ihr wahrscheinlich Inhalte sehen, die von einem Experten für Buchhaltung erstellt wurden. Wenn ihr jedoch Rezensionen für eine Steuerberatungssoftware sucht, seid ihr möglichweise auf der Suche nach anderen Informationen – vielleicht einer Forumsdiskussionen von Menschen, die Erfahrung mit verschiedenen Dienstleistungen haben.

Google Search Central

Aber auch der technische Aspekt ist für Betreiber:innen von Websites nicht zu unterschätzen. Der, allerdings, ist per se nicht neu und entspricht Regeln, wie sie schon lange für Suchmaschinen gelten.

To respect content creators and adhere to the web’s norms, our browser plugin’s user-agent token is ChatGPT-User and is configured to honor websites‘ robots.txt files. This may occasionally result in a “click failed” message, which indicates that the plugin is honoring the website’s instruction to avoid crawling it. This user-agent will only be used to take direct actions on behalf of ChatGPT users and is not used for crawling the web in any automatic fashion. […] You can block ChatGPT crawling your site using the robots.txt file, ChatGPT will show this error message when this happens.

ChatGPT plugins

Vorbildlich geht ChatGPT mit der Quelleninformation um, die einem:r User:in präsentiert werden.

Our browsing plugin shows websites visited and cites its sources in ChatGPT’s responses. This added layer of transparency helps users verify the accuracy of the model’s responses and also gives credit back to content creators. We appreciate that this is a new method of interacting with the web, and welcome feedback on additional ways to drive traffic back to sources and add to the overall health of the ecosystem.

Auf den Screenshots (Nerdinfo: Am Blog sind diese Screenshots herrlich dargestellt, aber kein Bild!) und Videodemos kann man die Quellenangaben inklusive dem häufig belächelten Favicon, das mittlerweile zum Brandinginstrument schlechthin avanciert ist, gut sehen. Die Angaben sind verlinkt – die Darstellung der Quellen erinnert an mobile Suchergebnisse – und machen es somit möglich, tiefergehende Informationen direkt von der Informationsquelle zu beziehen. Richtig schön gelöst, OpenAI, fair, transparent und so offen, wie nur möglich.

Ein paar Gedanken, die mir gerade durch den Kopf gehen:

  1. Oh my, so eine Darstellung schaltet Ads in Suchergebnissen praktisch komplett aus. Google, quo vadis? Ad-Agenturen, was macht ihr, wenn AI-Assistenten oder zumindes KI-gestütztes Browsen zur Norm wird?
  2. Wie sehr wird sich das Konzept eines Browsers verändern, wenn Prompts – und nicht mehr URLs – das Navigationsverhalten bestimmen werden?
  3. Es wird noch spannend, wie sich bei so einer Darstellung die Reihung der Suchergebnisse auswirken wird, die ja von ChatGPT indirekt genutzt wird. Ich hoffe wirklich sehr, dass all die auf Clickbait ausgerichteten Websites zumindest eine ordentlich lange Durststrecke antreten werden und „eine Suchmaschine benutzen“, wenn auch indirekt über KI-Tools, wieder produktiv wird und nicht Quell andauernder Ärgernis.

Wenn das alles so läuft, wie es sich mir (in meiner Vorstellung) ankündigt, dann kann es ja wirklich sein, dass „das Internet“ wieder richtig Spaß macht, weil die in Langeweile und Mittelmaß untergegangenen Angebote herausgefordert werden. Vielleicht mischt ja ChatGPT die Karten auf diversen Schlachtfeldern – vor allem Redaktions- und Marketingarbeit – wieder neu? Hoffen wir es, denn es kann nur besser werden!

Und Europa? Wir verschlafen auch diesen Moment einmal mehr und haben das Spielfeld dieser sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Nachhinein als disruptiv erweisenden Technologie zugunsten von Regulierung, Verwaltung und Bewahrung abermals Amerikanern und Chinesen überlassen.

Aktualisierung am 30. März 2023

Google erweitert sein Fact-Checking-Programm. Das ist auch notwendig, denn die Suchmaschine bereitet sich auf eine Zukunft voll realistisch klingender, aber mit der Realität nicht unbedingt in Zusammenhang stehender Artikel und Websites vor.

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