KI im Browser: Arbeitsinternet ohne Möglichkeit von Serendipität

Josh Miller erzählt uns etwas über seinen neuen KI-Browser Dia, Manuel Morale verfasst eine kritische Replik und beklagt das Fehlen von Serendipität im neuen Internet, das KI-gestützt auf uns zukommt.

In einem ziemlich langen Beitrag (auf Substack 🙄) hat Josh Miller, CEO der Browser Company of New York – das ist das Unternehmen, das den Arc-Browser groß gemacht und nun wieder fallen gelassen hat, um sich einem neuen Browser, Dia, zu widmen – über die Zukunft des Webbrowsers geschrieben. Manuel Morales äußerst kritischer Kommentar zum Beitrag ist deutlich interessanter als der PR-Artikel, den Josh Miller verfasst hat.

Let’s not forget: they weren’t even making a fucking browser. They were making a fancy chromium skin. Because the role of a browser, at its core, is to make network requests, parse HTML, render CSS, and run JS. They weren’t interested in taking care of those things. They were happy to let other people do that work which, for a company called “The Browser Company” that thinks that: „the browser is the most important software in your life — and it wasn’t getting the attention it deserved“ is quite telling. […] Anyway, now they’re pivoting to AI, like literally every other tech company out there […] Almost all these AI browsers have no business model. Because they traded being Chromium-based with being Chromium-based AND having a financial dependency on AI providers for all the API calls they’re making to power these apps. Because, in the same way, they were not making a browser before, they’re not making the AI part of the AI tools now either.

Manuel Morale

Manuel Morale bringt in seinem Blogbeitrag aber noch einen Punkt an, der nur noch am Rand mit Arc, Dia, The Browser Company oder anderen Plänen, Künstliche Intelligenz in den Browser zu integrieren, zu tun hat. Und ich fühle mit ihm, da das, was er beschreibt, im Grunde genommen mein gesamtes bisheriges Online-Leben bestimmt hat: Die zukünftige Abwesenheit von Serendipität.

Sein Punkt ist klar und einfach. Wie sollen wir auf Neues stoßen, wenn alle Unternehmen, die an Browsern arbeiten, Künstliche Intelligenz und synthetisierte, komplett der Anfrage entsprechende Suchergebnisse in Form von KI-generierten Zusammenfassungen mit ultrahochpräzisen Links produzieren, die uns die Möglichkeit nehmen, auf etwas zu stoßen, das vielleicht nicht unmittelbar mit unserer Anfrage zu tun hat, uns aber doch interessieren könnte? Wohin verschwindet also das Momentum des Zufalls, der Serendipität, also, wenn das, was die Zukunft des Suchens und Browsens ist, es bewusst entfernt? In anderen Worten: wie können wir in Zukunft Neues, Interessantes und Folgenswertes entdecken im Rahmen einer Recherche entdecken?

We all yelled and screamed because the web has too many gatekeepers, we all lamented Google search results going to shit, and we all celebrated when new search engines were coming up. Why would I be happy trading a search result page filled with links […] for a block of text that gives me an opinionated answer and maybe some links? […] But more importantly, there’s something else about this whole idea of chatting-with-a-computer-to-get-answers-from-the-web that I find incredibly off-putting: the complete lack of potential for serendipity. Clicking on links and landing on random sites has the potential to take me in unexpected directions. […] The web is filled with creative people who have incredibly interesting sites from a visual point of view. All that is absent in a chat-based world and that’s something I just can’t personally accept for myself. Feels like such a boring way to browse the web.

Manuel Morale

Wenn das Web in Form der Unternehmen, die Browser programmieren, die lästigen Zufälle, die aber auch Momente des Glücks darstellen können, eliminiert, und das Web in Form der Abermilliarden an Informationsquellen von Millionen, wenn nicht Milliarden an Menschen, die sie anbieten, auf eine Art Wissensdatenbank zur produktiven Arbeit reduziert und somit des Spaßfaktors beraubt wird, was bleibt dann noch übrig? Discovery-Algorithmen käsiger Social Media-Unternehmen? Ehrlich? Dorthin sollen wir, nichtkommerzielle Anbieter von Information und Unterhaltung, uns hin verziehen? Ich soll statt meines Blogs in Zukunft auf Instagram, TikTok oder Threads posten, um überhaupt die Chance zu haben, bei einer Suche oder dem sinnbefreiten Scrollen durchs Web („Browsing“) gefunden zu werden?

Langweilige, sehr langweilige Zeiten kommen auf uns zu, denn die Stoßrichtung ist spätestens klar geworden als ersichtlich wurde, was zum Beispiel OpenAI in Bezug auf das Web vor hat: Das Unternehmen will seine Technologie der Künstlichen Intelligenz nicht nur anbieten, um damit im, vor allem aber mit dem Web arbeiten („arbeiten“, wohlgemerkt, nicht „Spaß haben“!) zu können, nein, das große Ziel am Ende der Marschroute ist es, inhärenter Teil der Infrastruktur des Webs zu werden, damit nicht mehr ohne denkbar, somit abhängig und nicht frei.

Wir werden uns, sollte sich diese Horrorvision doch erfüllen, schon noch fragen, ob es die 20 Euro pro Monat wert waren, Hausübungen, Studienarbeiten und Arbeitsberichte etwas schneller erledigt zu haben, wenn der wahre Preis, den wir dafür bezahlen, der voranschreitende Verlust der Basis dessen ist, woraus sich die KI-Maschinen vorrangig ernährt haben.

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