Paradoxon bei Organ-Transplantationen 💔

Amy Silverstein kündigt in einem Tweet ihren Rückzug von Twitter an. Das alles endet aber ganz woanders als man nun vermuten würde.

Amy Silverstein veröffentlicht einen Tweet, in dem Sie ankündigt, „I will be closing down my Twitter in 2 weeks.“. Was wie das übliche Twitter/Elon Musk/toxische Stimmung-Gesudere, dem wir seit Wochen ausgesetzt sind, beginnt, wird mit dem nächsten Satz schlagartig verändert. Da verweist die Empfängerin zweier (!) Herz-Transplantationen mit einem lapidaren „Meanwhile“ auf einen von ihr verfassten Artikel in der New York Times: My transplanted heart and I will die soon.

Organ transplantation is mired in stagnant science and antiquated, imprecise medicine that fails patients and organ donors. And I understand the irony of an incredibly successful and fortunate two-time heart transplant recipient making this case, but my longevity also provides me with a unique vantage point. […] Transplantation is no different from lifelong illnesses that need newer, safer, more effective medicines. […] Only in transplant is there pressure to accept what you’ve been given and not dare express a wish, let alone a demand, for a healthier or longer life. […] Because a transplant begins with the overwhelming gift of a donor organ that brings you back from the brink of death, the entirety of a patient’s experience from that day forward is cast as a “miracle.” […] This “gratitude paradox,” as I’ve come to think of it, can manifest itself throughout the transplant professional communities as well. Without vigorous pushback, hospitals and physicians have been allowed to set an embarrassingly low bar for achievement.

My transplanted heart and I will die soon

Scheinbar ist die Wahrnehmung von Patient:innen mit transplantierten Organen bei Ärzt:innen eine andere als ich dachte, ihre Lebenserwartung eine andere als ich dachte und die Nebenwirkungen der Medikamente, die sie einnehmen müssen, in ganz anderen Dimensionen als ich dachte.

Ich muss gestehen, ich kenne niemandem mit transplantierten Organen, weshalb das „als ich dachte“ mehr wie ein „was man so hört“ zu lesen ist. Aber ganz allgemein habe ich bei Lektüre des Artikels gespürt, wie das bei mir von medizinischen Durchbrüchen und Erfolgsstories medial nach außen transportierte Bild einer erfolgreichen Organtransplantation sich mit dem, was Amy Silverstein da berichtet, überhaupt nicht vertragen hat.

Der Artikel endet bitter und erklärt den Tweet, denn bei Amy Silverstein wurde ein nicht heilbarer Krebs diagnostiziert. Sie selbst sieht es als Ironie, dass es nicht das Herz ist, das sie am Ende umbringen wird.

I sacrificed my whole body for this beautiful heart. […] But there’s a victory here, too. I kept [my heart] perfect to the end.

Es lohnt sich, diesen Einblick zu bekommen. Und weil ich nun mehr weiß als vorher und dieser Artikel einige Dinge in meiner Wahrnehmung verändert, wenn nicht sogar korrigiert hat, teile ich ihn hier. (Und mir fällt gerade auf, dass der Tod hier mittlerweile einen eigenen Hashtag hat und sich bereits einige Artikel dort finden!)

Aktualisierung am 9. Juni 2023

Ich bin über die Ähnliche Beiträge-Funktion wiedermal auf diesen Beitrag gestoßen und habe in Amy Silversteins Twitter-Account diesen Tweet vom 11. Mai 2023 gefunden.

Our beautiful, amazing, spectacular Amy passed away peacefully in her sleep on May 5th, 2023. We will be maintaining this account to provide updates on developments in transplantation and for further information on Amy’s writings and upcoming tv show.

@ajsilverstein16

Es scheint dies die Präsenz des Todes in unserer Zeit zu sein: Berichte über das Sterben, Sarkasmus, Ratgeber, völlige Idiotie – alles kontinuierlich in den sozialen Medien oder auf nunmehr aufgelassenen Websites. Jeder Generation und jeder Zeit ihre Art, mit dem Tod umzugehen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert