Produktivitätsverlust ohne ChatGPT: 50%

Am 30. November 2022 veröffentlicht OpenAI ChatGPT. Am 20. April 2023 ist der Chatbot bereits eine für Teile der Wirtschaft notwendige Schlüsseltechnologie geworden. Fällt sie aus, sinkt die Produktivität um 50 Prozent, wie der Fall Italien zeigt.

Vor einigen Monaten wurde ChatGPT aufgrund von Datenschutzbedenken in Italien gesperrt. Heute habe ich in einem Paper von David Kreitmeir und Paul Raschky über den damit einhergehenden Produktivitätsverlust gelesen. Obwohl nur der produktive Output von Programmierern (durch Releases auf GitHub) gemessen wurde, ist jetzt schon klar: Der Verlust an Produktivität war enorm.

We analyse the effects of the ban of ChatGPT […] on individual productivity. We first compile data on the hourly coding output of over 8,000 professional GitHub users in Italy and other European countries to analyse the impact of the ban on individual productivity. Combining the high-frequency data with the sudden announcement of the ban in a difference-in-differences framework, we find that the output of Italian developers decreased by around 50% in the first two business days after the ban and recovered after that.

Kreitmeir, Raschky

50 Prozent sind schon eine gewaltige Zahl, auch wenn dieser Rückgang nur zwei Tage andauerte. Es lohnt sich, die knapp 19 Seiten zu lesen, denn in diesem mit 20. April 2023 datierten Paper – nur, um das in Relation zu setzen: das ist gerade mal knappe 5 Monate nach der Veröffentlichung von ChatGPT durch OpenAI – zeigen die Autoren auf, wie (1) rasch Italiener:innen auf die Sperre der KI mit VPNs und anderen Technologien zur Umgehung einer derartigen Zensur reagiert haben, (2) wie schnell sich das Produktivitätslevel danach wieder erholt hat und, (3) dass diese Sperre in den freien Datenverkehr gezeigt hat, wie sehr ChatGPT in der Wirtschaft bereits aktiv „for high-skilled tasks in the economy“ benutzt wird.

In meinem Umfeld können sich mindestens 50 Prozent der Unternehmen, mit denen ich zusammenarbeite, eine Rückkehr zu Zeiten vor ChatGPT gar nicht mehr vorstellen bzw. haben sie – eigentlich ist das noch viel schlimmer – die Anforderungen an ihre Angestellten so angehoben, dass diese die von ihnen verlangte Arbeitsleistung ohne ein Tool wie ChatGPT nicht mehr leisten könnten. Und wenn ich im vorigen Satz von „mindestens“ spreche, dann meine ich eigentlich 75% oder mehr.

75% Abhängigkeit von einer von den USA (bzw. China) kontrollierten Schlüsseltechnologie – und ja, wir brauchen da nichts mehr schönzureden, diese Art der KI ist eine nicht mehr wegzudenkende Technologie, die bestimmte Formen des Arbeitens überhaupt erst möglich macht – zeigt sehr deutlich auf, wie wir Europäer:innen von teilweise überbordenden und offensichtlich in Ermangelung eines Verständnisses der Sache oder zumindest ihres praktischen Nutzens im globalen Kontext begangenen Verwaltungs- und Regulierungssünden geschwächt werden. Das ChatGPT-Verbot in Italien ist hier nur ein Beispiel, in dem Intention (Datenschutz) und Resultat (Umgehungstechnologie) ganz offensichtlich auseinander klaffen.

Noch einmal zur Verdeutlichung: Ich spreche hier von KI, einer Technologie, die seit nicht einmal einem halben Jahr erst allgemein zugänglich ist. Und ich spreche davon, wie sie jetzt bereits so dermaßen große Auswirkungen auf unser (geschäftliches) Leben hat, dass einige Unternehmen gar nicht mehr wirklich ohne sie könnten. Und weil ich es nicht lassen kann, auch davon, dass diese Technologie nicht unsere ist, sondern die der Amerikaner (oder Chinesen) und wir uns damit noch mehr in eine Abhängigkeit begeben, die dem Mantra des Wissenschafts- und Technologiekontinents Europa diametral entgegengesetzt zu sein scheint.

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