Vox Media wechselt zu WordPress

Vox Media wechselt von seinem proprietären Content Management System zu WordPress. Ja, im Jahr 2023!

Vox Media, Eigentümerin bekannter Publikationen wie The Verge oder das New York Magazine, wird in Zukunft nicht mehr länger mit dem eigenen, proprietären Content Management System Chorus arbeiten, sondern wechselt zu WordPress. Bedeutsam finde ich die Entscheidung aus drei Gründen.

Vox Media sein CMS Chorus nicht nur selbst genutzt, sondern auch an Dritte lizenziert. Es hat sich aber herausgestellt, dass es keinen Sinn macht, in einem Software-Markt gegen auf Software spezialisierte Unternehmen anzutreten und ein eigenes CMS aufrecht zu erhalten und weiterzuentwickeln.

For years, publishers have tried to build and license their own CMS, only to find that tech firms, like WordPress, are hard to compete with, due to their focus and resources. […] Tech licensing businesses can work, but they require long-term focus and differentiation from solutions that WordPress and other Big Tech firms already offer. […] WordPress‘ continued commitment to the publishing space, and specifically for news publishers, makes its products cheaper in many cases than for publishers trying to rely on their own technology.

axios.com

Überhaupt, und das ist der zweite Grund, macht es auf lange Sicht wenig Sinn, heutzutage ein eigenständiges (und noch weniger, ein proprietäres) Content Management System zu programmieren, zu verkaufen oder zu nutzen. Interessant ist Matt Mullenwegs Argument gegen die gerne als Begründung für so eine eigenständige Entwicklung herangezogenen Spezifika und individuellen Bedürfnisse einer Publikation:

The survival rate of proprietary software drops to zero. […] While something custom-built may seem better for your needs in the beginning, that never lasts. Unless you invest heavily in engineering (like tens of millions per year), the steady improvement of a healthy open source community, like the tens of thousands of developers working on WordPress every day, will eventually catch and surpass any proprietary system. […] At that point, it makes more sense to build on top of them rather than recreate the wheel. You’ll still get where you’re going, it’ll just be a smoother, faster ride.

Matt Mullenweg

Der dritte Grund ist einer, den ich zufälliger Weise gestern erst in einem Telefonat erwähnt habe, nachdem ich auf Angebote Anderer angesprochen und mit deren Aussage konfrontiert wurde, WordPress sei ja wohl im Jahr 2023 nicht mehr das CMS, auf das man bauen sollte, denn es gäbe ja wesentlich schickere Systeme wie Webflow oder Contenful (als SaaS-Modelle) bzw. Statamic für weniger dynamische, aber immerhin selbst gehostete Websites. Denn ja, es stimmt, alle hier genannten CMS sind wesentlicher schicker als WordPress und sie haben auch alle ihre jeweils spezifischen Vorteile gegenüber dem 20 Jahre alten CMS. Das allein aber ist kein Grund, wenn die Publikation/die Website/der Webshop oder was auch immer man online stellen will, auf lange Sicht bestehen soll.

WordPress hat die Jahre überdauert und ist und bleibt („ja wohl im Jahr 2023“ noch immer) soetwas wie ein Standard. Ich kenne kaum jemanden, der sich in dieser Branche nicht in Funktionalität und Features daran orientiert und versucht – ich habe ja eben deshalb auf die Vergleichsseiten und -beiträge verlinkt – sich mit WordPress zu messen.

Alle Alternativen haben natürlich ihre spezifische Berechtigung: Mit Webflow oder Contentful ist eine Website im Handumdrehen erstellt und nur sehr wenig wird zB an die Performance eines Statamic herankommen, aber sie alle treten nicht ohne Einschränkungen auf die eine oder andere Art und Weise in Erscheinung, sei es in puncto Kosten, Funktionalität, Erweiterbarkeit, technisches Know-How, etc., etc.

WordPress hingegen ist ein wenig der Kleinkrämer, der alles bietet, und das aber zuverlässig seit mehr als zwei Jahrzehnten. Es gibt fast nichts, was das System nicht schon bespielt hätte und kaum einen Anwendungsfall, den das System nicht abdecken kann oder früher oder später abdecken wird. Matt Mullenweg, den ich oben schon zitiert habe, meint zurecht: „WordPress […] will eventually catch and surpass any proprietary system“. Und ich glaube, das gilt auch noch für die nächsten Jahre und, zumindest aus heutiger Sicht, auch für nicht-proprietäre Systeme. (Nur mit Gutenberg und der Blocktechnologie bin ich noch nicht warm geworden und viele sehen darin den ersten Knick im Aufstieg des CMS. Vielleicht ist es ja der große Wurf und ich verstehe ihn noch nicht?)

Aber das ist eine andere Geschichte und wurde hier schon mehr als genug behandelt.

2 Kommentare

  1. Wow, schon eine überraschende Meldung, bei der man nicht weiß, ob man das nun gut finden soll oder nicht.

    Einerseits schön zu sehen, dass das früher noch belächelte „Blog-Dings“ namens WordPress in – früher oft noch weniger ernstgenommenem – PHP eh so ziemlich alles stemmen kann (von je nach Anwendungsgebiet manchmal abgekoppeltem Frontend abgesehen).

    Andererseits fehlt mir da bzgl. Marktanteil aber ein brauchbarer „Gegenspieler“ (davon, dass es eher zwei, drei sein sollten, mal abgesehen) – WordPress überrollt seit Jahren einfach alles (sagt ein WordPress-User als Teil des Problems, ich weiß … ;)).

    • Ja, so habe ich auch reagiert auf die Nachricht. Wow. Was die Gegenspieler angeht, so gibt es ja schon einige – Contentful kenne ich, wie auch Statamic aus dem Redaktionsumfeld. Gerade Statamic hat ja beispielsweise beim Spiegel in Deutschland einen steilen Höhenflug hingelegt und wird ja auch bei uns bei ein paar Medienhäusern eingesetzt.

      Wenn du aber meinst, einen Gegenspieler im Sinne von „mit halbwegs relevantem Marktanteil“, dann ja, dann sieht es ganz anders und viel düsterer aus. Ich denke, da sind noch viele Eigenentwicklungen unterwegs, die aber, und da finde ich, dass Matt Mullenweg richtig argumentiert, früher oder später fallen werden.

      …sagt ein WordPress-User als Teil des Problems ;-)

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