Bert Hubert kritisiert seine (niederländische) Regierung scharf, staatliche Daten auf Cloudspeicher in den USA zu verschieben. Aber keine Sorge, er nimmt auch alle Unternehmen in seine Kritik mit auf, die ihre Daten in US-Clouds ablegen.
With all sorts of magic legal spells like “DPIAs” and “DTIAs,” organizations attempt to justify transferring our data and processes to the US. […] People also fool themselves that special keys and “servers in the EU” will get you “a safe space” within the American cloud. It won’t. […] From now on, all our business processes can be brought to a halt with the push of a button in the US. […] Stop the nonsense of complicated and long-winded legal arguments about why it would be legal to put our citizens’ data in the US. These arguments are not only naïve—they are also no longer true. The US has dismantled the official privacy framework. The deal is dead.
Bert Hubert
In Bert Huberts Artikel gibt es eine Passage, in der er die Gültigkeit des Arguments, amerikanische Software sei doch so einfach zu nutzen, in Frage stellt, in dem er behauptet, es wäre nicht die einfache Handhabe, sondern nur Gewohnheit, die uns die Software verwenden und dabei bleiben lässt. Niemand sei deklarierter Fan von MS Teams, Office oder Outlook, aber wir sind daran gewöhnt, schreibt er. Man müsste sich ja nur umgewöhnen…
Ja, und da beginnt es zu scheitern, meine ich. Ich habe ein paar Umstellungen der Software in einigen Unternehmen mitgemacht und meine Erfahrung ist, dass es für alle Beteiligten ein Graus war. Bis auch die letzte Aktion der neuen Software gut genutzt wurde ohne dass der Support kontaktiert werden musste, hat es teilweise 2, 3 oder sogar 5 Jahre gedauert. Neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wurden zwar auf die neue Software geschult, schüttelten aber den Kopf, wieso man nicht einfach das nutze, was sie schon kannten (zB Outlook). Und was man auch nicht vergessen darf: Software bringt immer auch eine bestimmte Logik mit sich, die sich nicht großartig, aber doch in Details relevant von anderer Software unterscheiden kann. Als ich vor Jahren einmal das Experiment gewagt habe, ein Ticketing-System, das Outlook ersetzen sollte, einzuführen, war der Widerstand enorm groß, sodass das ganze Projekt rückabgewickelt wurde. Es war nicht die Bedienung des Systems an sich, die hätte gut funktioniert, sondern der enorme Zeitgewinn in dieser alltäglichen Arbeit, den die Chefetage schon bald entdeckte und auch nutzen wollte, um den Angestellten mehr Arbeit aufzuerlegen. Ab dem Moment wurden lauter technische Gründe angeführt, warum das neue System so ein Drama sei und überhaupt nicht funktioniere. – Also ein Wechsel der Software bewirkt an ganz anderen, oft unvermuteten Stellen, Veränderung, die man will oder eben auch nicht.
Das Beispiel soll nicht die Aussage in sich tragen, dass amerikanische Software europäischer Vorzuziehen sei, sondern den Punkt relativieren, dass eine Softwareumstellung lediglich den Punkt „Bequemlichkeit“ in einem Unternehmen betrifft. Es ist weit größer als man denkt, was da passiert, wenn man so eine Umstellung macht. Und das Beispiel soll des weiteren US-Clouds nicht auf ein Podest heben, auch wenn ich nach wie vor der Meinung bin, dass es ihnen gebührt. Es ist also eine wirklich verzwickte Situation, in der wir uns hier in Europa befinden. Unsere Abhängigkeit von digitalen Dienstleistungen US-amerikanischer Konzerne ist vollkommen und somit auch gefährlich. Aber solange europäische Unternehmen mit Lösungen an den Start gehen, die zwar irgendwie funktionieren, aber mit UX-Standards des letzten Jahrhunderts aufwarten oder in der Anwendung komplizierter sind als ihre US-Äquivalente – und da reicht manchmal eine Einstellung, die man nicht auf Anhieb versteht -, dann bleiben wir abhängig, egal, wie sehr wir uns auch noch bemühen, unsere digitale Souveränität mit europäischer Software herzustellen.
The Register hat ein sehr lesenswertes Interview mit Bert Hubert geführt, in dem er auf viele der hier kurz angerissenen Argumente näher eingeht und besonders verdeutlicht, warum es gerade Microsoft ist, das ein Problem für die EU darstellt.
We are now seeing that most large enterprises have changed over to Microsoft 365 and put everything on the cloud. And that was not the case like 10 years ago or eight years ago. […] If you look at a modern Microsoft desktop, it is actually configured in such a way that it’s very difficult to save a file on there that does not go to the cloud. It’s actually sort of barely possible to prevent that from happening. That’s the one thing that changed so much – there is just much more at stake, which increases people’s worries.
Bert Hubert
Aber immerhin, jetzt haben wir ja die von Microsoft implementierte EU Datengrenze. 🤦♂️