Was, wenn ab morgen kein Microsoft 365 oder Google Workspace verfügbar wäre?

Ein Gedankenexperiment: Was, wenn Trump morgen den Zugang zu MS 365, Google Workspace usw. für EU-Bürger sperrt oder stark verteuert? Es wird wieder einmal klar: Wir sind digital zu 100% von den USA abhängig, ob wir wollen oder nicht.

Jörg Kastning aktiviert auf Mastodon unschöne Vorstellungen, in dem er in einem Gedankenexperiment auf die digitale Abhängigkeit Europas von den USA hinweist. Die Antworten und Statements im Mastodon-Thread sind interessant, man erkennt aber auch, dass das Problem vielschichtig und de facto unlösbar ist.

Stellt euch vor, Präsident Musk weist AWS, Azure, Google Cloud Platform, Microsoft 365 inkl. Teams an, die Zugänge europäischer Kunden zu deaktivieren. Dann werdet ihr merken, daß digitale Souveränität super ist. Ist dann leider zu spät. Aber keine Panik, vielleicht kommen wir ja mit Strafzuschlägen von 60% auf die Subsktiptionsgebühren [sic!] davon.

Jörg Kastning

Wie verläuft die Diskussion im Thread? Zuerst werfen einige Open Source-Software in den Raum, die aber bald schon als nicht für den Unternehmensbereich tauglich klassifiziert wird. Dann zieht irgendwer irgendein Bundesland, eine Gemeinde oder eine Stadt hervor, die es doch mit Open Source-Lösungen probiert, aber allein bei der Beschreibung, wie das nun alles läuft, möchte man sich die Haare raufen. Und, wie immer bei solchen Diskussionen, ist der Saft bald aus, weil wir ohnehin alle wissen, dass es ohne USA nicht geht. Dann kommt das Standardargument Datenschutz: Deine Daten wandern in die USA. Dürfen sie das nach DSGVO überhaupt? Ja, okay, hundert Male schon gehört, aber wo bleiben die europäischen Alternativen? Wo kann ich die Integration, die mir ein Google Workspace oder ein Microsoft 365 bringt, bei einem europäischen Anbieter finden? Und da spreche ich nicht nur von der Integration der in den verschiedenen Packages inkludierten Apps und Services untereinander, sondern auch die Integration mit anderen, externen Services.

Für mich ist es genau dieser Moment, wenn es in Diskussionen um digitale Souveränität geht, an dem ich aussteige: Wenn es keine Argumente mehr gibt, bezieht sich irgendwer auf den Datenschutz. Damit ist die Diskussion genauso beendet, wie ein Gespräch mit Freunden, sobald man sich über Filme und Serien zu unterhalten beginnt.

Es ist halt nun einmal so: Wenn wir auf europäische Alternativen umsteigen sollen, was sicherlich jeder tun würde, gäbe es sie, müssten diese in Einfachheit, Handhabbarkeit, Wartung und der Möglichkeit zur Kolaboration mindestens gleichwertig mit den US-Äquivalenten sein. Und da, sorry, fällt mir für Produktivitätssoftware (zB Office-Programme) nichts ein, kein einziger Service, keine einzige App. Es ist ja noch viel schlimmer, denn es gibt ja nicht einmal einen halbwegs tauglichen, europäischen Mailprovider.

8 Kommentare

  1. Wir haben keine e-Autos, Smartphones, Prozessoren, AI, Webdienste, Kopfhörer, selbstreinigende Katzentoiletten,…

    Aber wir haben Cookie-Banner, Abmahnungen/Strafen wegen fehlendem Impressum, völlig falsch verstandenen Datenschutz und überhaupt „Neuland“.

    Es ist ja nicht so, dass der Zug am Abfahren ist, nein, der ist längst abgefahren, weil man null bereit war, auch nur 1 Cent in brauchbare Lösungen, die User auch nutzen wollen, zu investieren.

    • Du sprichst mir – vor allem mit dem letzten Satz – aus der Seele! Und gleichzeitig tut es so weh, jedes Mal still zustimmen zu müssen, wenn uns Amerikaner und Chinesen, die KIs entwickeln oder neuartige Raketen ins All schießen, wegen des Plastikflaschen-Verschlusses auf die Schippe nehmen.

  2. Eine Bemerkung noch zu „falsch verstandener Datenschutz“, der uns bereits so viel gekostet hat: Ich denke, man hält die eigenen täglich anfallenden Daten für viel zu wertvoll. Persönliches, wie Gesundheitsdaten, Krankenakten, etc. aussen vor.

    Ich nutze seit dessen Launch Gmail – ja, immer noch gerne, weil unerreicht was Komfort betrifft. Apple UND Google haben alle meine Fotos. Und ich nutze ausschließlich Google Workplace für Dokumente. Strava für Sport/Fitness. Und so weiter.

    Ja, diese Unternehmen haben Unmengen Daten von mir, das ist mir durchaus bewusst. So what? Welcher Nachteil ist mir denn in 20 Jahren Nutzung von Gmail entstanden? Ich wüsste keinen. Und Nicht-Nutzung wäre blosse Selbstgeisselung.

    • Danke, bei mir ganz gleich. Und ich kenne wirklich nur ganz wenige, die nicht, so wie du und ich, all ihre Fotos, Sport-Daten, Mails usw. bei irgendwelchen US-Anbietern haben. Ganz meine Meinung. Man muss schon auf die praktische Anwendung und die praktischen Auswirkungen sehen, um zu sehen, ob all der Schutz wirklich irgendwas bringt oder nur viel verhindert. Und – wie du sagst: Nicht-Nutzung wäre blosse Selbstgeisselung.

    • In div. Punkten kann man das so bestätigen, aber ich glaube man sollte sich mehr und mehr Gedanken machen nicht mehr „ganz“ so abhängig von den US zu sein.
      Gerade im Bereich Mail und/oder PW-Manager muss man dann auf gewissen „Komfort“ verzichten, um ein wenig mehr „Einfluss/Kontrolle“ über seine Daten zu bekommen.

      Klar es ist schön und einfach mit den großen Playern zu gehen… Aber will man das auch wirklich?
      Die Welt ist halt nicht nur „einfach“.

    • Das stimmt schon, nur zeig mir eine echte Alternative, die nicht das Komfort-Argument sprengt! Bei den meisten zB Open Source-Tools stößt man früher oder später an eine Grenze, die man nur durch Wissen überschreiten kann. Und das ist halt das Geniale an vielen Produkten aus den USA (und China): Sie sind so konzipiert und konstruiert, dass man sie ohne viel Wissen auch gut nutzen kann.

      Also ja, ich bin ganz bei dir, wenn man sich mehr Gedanken machen sollte. Gleichzeitig finde ich aber nicht die jeweiligen Alternativen, die es mir möglich machen würden, den halbwegs gleichen Funktionsumfang aufrecht zu erhalten, wenn ich auf ein andere Produkt wechsle.

      Ja, die Welt ist nicht nur einfach, aber die Menschen suchen sich immer den einfachsten Weg.

  3. Und ja, Plastikflaschenverschlüsse und USB-C-Pflicht sind ja nicht verkehrt, aber die bringen uns nicht voran und es gäbe so viel wichtigere Sachen, die Ressourcen benötigen.

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