Wenn Trump ein Land in der EU digital „abschaltet“

Max Schrems skizziert kein schönes Bild in einem Interview mit der SZ über den Einfluss der US-Politik auf mögliche Probleme in der europäischen (dh. US-amerikanischen) digitalen Infrastruktur. Und überhaupt ist sowieso alles illegal.

Max Schrems antwortet in eine Interview mit der Süddeutschen auf mehrere Fragen, die sich ums Thema digitale Souveränität Europas drehen. Was, das ist die pikanteste Frage in diesem Interview, wenn Trump uns morgen die Cloudservices abdreht? Das ist zwar noch unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.

Wenn die USA ein Embargo verhängen, dann müssten etwa Amazon, Google oder Microsoft morgen alle Dienste in der EU abschalten. Unternehmen und Behörden könnten dann nicht mehr auf ihre Dokumente, E-Mails oder sonstige Systeme zugreifen. Damit kann eine Wirtschaft heutzutage praktisch abgeschaltet werden. Das ist für die gesamte EU vielleicht nicht realistisch, aber wenn man zum Beispiel in Dänemark ist und diese sinnlose Grönland-Debatte weiter eskaliert, dann können die USA damit ein Land […] über Nacht „abschalten“. Das ist nichts, was morgen passieren wird – aber nach zwei Monaten Trump etwas, das man leider nicht mehr absolut ausschließen kann. Und das ist massiv besorgniserregend.

Max Schrems

Ich möchte auf zwei weitere Situationen hinweisen, die Max Schrems hier nicht erwähnt:

  1. Die Niederlande nutzen US-Cloudanbieter, um staatliche Daten dort abzulegen.
  2. Die Schweiz, quasi EU, hat Cloud-Dienstleistungen in die USA und sogar China ausgelagert.

Die beiden träfe es noch härter als Dänemark, wenngleich die Schweiz durch den Einbezug Chinas immerhin noch ein (auf die USA bezogenes) Offsite-Backup ihrer Daten hat. Würde man ihnen oder größeren, europäischen Unternehmen den Zugang zu den in den USA oder, das muss man ja angesichts des Cloud-Acts dazu sagen, von US-Firmen gehosteten Daten verwehren, wäre die Situation nicht mehr eine von Ironie und Sarkasmus geprägte, sondern wirtschaftlich bedrohlich. Ich habe mir vor einiger Zeit die Frage hier auch schon einmal gestellt, wenngleich auch mit Fokus auf die Abschaltung der Office-Pakete Office 365 und Google Workspace.

Das Thema ist also präsent, zumindest bei denjenigen, die Cloudservices etwas bewusster nutzen, auch wenn es alle, wirklich alle großen Unternehmen bislang zu ignorieren scheinen. (Mir wäre zumindest kein großer Player bekannt, der eine Migration zu einem der europäischen Alternativen in Angriff nimmt.) Und das, obwohl die Rechtslage ganz und gar nicht auf einen Beibehalt des Status Quo schließen lässt, denn der EU-USA-Deal, auf dem die Datenübermittlung über den Atlantik basiert, ist hauchdünn, wenn nicht sogar schon in Auflösung begriffen, wie man dem Schrems-Interview entnehmen kann.

Aktuell ist es eigentlich verboten, EU-Daten ins Ausland zu übertragen. […] Die USA haben eine Ausnahme, erst das Safe-Harbor-Abkommen, dann Privacy Shield, dann das Trans-Atlantic Data Privacy Framework (TADPF). Wir [von NOYB] gehen davon aus, dass diese rechtlichen Instrumente immer schon illegal waren. Zweimal hat das der EuGH ja auch bestätigt. […] Das TADPF ist jetzt mal da, aber vermutlich schon original unrechtmäßig. Diese EU-Entscheidung, die praktisch alle Nutzung von US-Clouds erlaubt, basiert auf der Executive Order 14086 von Joe Biden, die mit nur einer Unterschrift von Trump aufgehoben werden kann.

Max Schrems

Die ganze Situation und der Mangel an ernsthaften europäischen Alternativen (dem widerspricht Max Schrems im Interview übrigens dezidiert!) ist unbefriedigend und schafft rechtliche und somit planerische Unsicherheit. Und es gibt, und das sage ich, weil ich mich mit Kolleginnen und Kollegen dazu sehr häufig unterhalte, genau zwei Möglichkeiten, wie man mit dieser Situation umgehen kann: Vorab befolgen, was vielleicht irgendwann gültig sein wird. Oder die Regulierungen beinhart ignorieren und Strafen riskieren, Schönreden inklusive.

Ich denke, die meisten Unternehmen haben sich sowieso für die zweite Variante entschieden. Zumindest finden nahezu 100 Prozent aller Meetings, die ich online habe, über Microsoft Teams statt. Als Office 365 for Business-Variante.

2 Kommentare

  1. Big Tech geht es ums Geld. Ausschließlich. Würde man von Big Tech verlangen, einzelnen Ländern in der EU die Dienste zwecks Erpressung abzudrehen, würde das Einnahmen kosten. Einnahmen, auf die man sicher nicht verzichten möchte. Aber vielleicht rede ich mir das auch gerade schön.

    Ich habe jetzt wirklich versucht, Lösungen abseits von Big Tech zu finden, die sich auch nutzen lassen und bin zur Ernüchterung gekommen: Signal als Messenger? Hier ist noch nicht mal ein Backup der Chats möglich. Joplin als Notiz-App, Ente für Fotos, oder Bitwarden als Passwort-Manager? Es fehlt an grundlegenden Funktionen, an Komfort wage ich noch nicht mal zu denken.

    • Mit der Aussage, es fehle an grundlegenden Funktionen (und an Komfort), läufst du bei mir offene Türen ein. Denn ja, genau so ist es!

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