Keine Buchhandlung auf Ko Phi Phi

Keine besonderen Vorkommnisse, dafür aber die Erkenntnis, dass ein Aspekt meines Bildes von Urlaub, das, nämlich, ein Buch zu lesen, offenbar überkommen war.

Gestern waren wir lang und weit unterwegs (der Viewpoint 3 ist doch ein Aufstieg von etwas über einer Stunde in größter Hitze), also heute gingen wir es deshalb gemütlicher an. Frühstück spätestmöglich, ein wenig Schwimmen im Meer, kein Stress. Aber nur im Meer herumplanschen, nur an der Bar Getränke bestellen, das ist mir – und zum Glück auch „uns“ – zu langweilig geworden, also beschlossen wir, in die Stadt (Tonsai) zu gehen.

Der Weg nach Tonsai war von unserem Hotel aus entweder mit dem Taxiboot oder zu Fuß über eine kleine Bergstrecke möglich; das ist der Preis, den man für Abgelegenheit und Exklusivität bezahlt. Natürlich entschieden wir uns für die gebirgige Strecke (31°C, pralle Sonne und 30 Minuten Fußweg statt 200 Baht, Taxiboot und 10 Minuten Überfahrt) und lernten so das Hinterland des südöstlichen Teils von Ko Phi Phi kennen. Außer, dass dort ein Tonsai vorgelagertes, aber nahezu ausschließlich von Einheimischen oder Arbeiterns bewohntes Dorf ist, gab es nicht viel Schönes zu sehen. Aber auch so eine Erfahrung zu machen, gehört meiner Meinung nach dazu.

In Tonsai selbst, das kann ich gleich vorwegnehmen, haben wir nichts gemacht, das einer Erzählung oder eines Blogeintrags würdig wäre: Wir haben zu Mittag gegessen, bei 23° Roaster Café Phi Phi Island einen Espresso und einen Cheesecake zu uns genommen und das war’s. Was wir nicht machen konnten, ist vielleicht schon eher einer Erwähnung wert: In einer Buchhandlung schmökern. Denn das ist etwas, das ich an Rasttagen sehr gerne mache. Eine lokale Buchhandlung aufsuchen, dort eine Zeit lang verbringen und sie meist mit ein paar feinen Stücken wieder verlassen. Das ist wie ein Ritual, das absolviert werden muss. Erst, wenn es ein bleibendes Erinnerungsstück an den besuchten Ort gibt – völlig gleich, ob das Buch mit dem Ort zu tun hat oder nicht -, gilt er als besucht.

Doch das alles war nicht möglich, denn die Buchhandlung, an die ich mich erinnern konnte, in der ich das letzte Mal ein paar ausgeruhte Stunden verbracht habe (es gab nicht nur Bücher, sondern auch Kaffee und Snacks; ich glaube, es war Ds Books, bin mir aber nicht sicher), gab es nicht mehr. Es gab überhaupt keine Buchhandlung mehr. Noch schlimmer (für mich): Egal, wo ich hinsah, ich sah praktisch niemanden, der ein Buch in der Hand hielt oder mit einem Buch am Strand lag; geschweige denn ein Geschäft, eine Bude oder auch nur einen Stand, an oder in dem man Bücher kaufen – oder handeln – konnte. Bücher waren auf Ko Phi Phi schlichtweg nicht vorhanden. Erst als mir das bewusst wurde und ich doch einigermaßen betrübt feststellen musste, dass ich meinem Ritual des Buchkaufs am Urlaubsort (zumindest hier auf Ko Phi Phi) wohl nicht mehr nachgehen werde können, fiel mir auf, dass das Smartphone das Buch vollständig ersetzt hat. Ich hielt aktiv Ausschau nach Kindles und anderen Readern für E-Books, vielleicht war ja die Zeit des Papiers, nicht aber die des Lesens vorbei, doch nein, auch die gab es kaum bis gar nicht. Weder am Strand noch sonstwo.

Nach dieser kühlen Erkenntnis, Bücher sind wohl passé, interessierte mich natürlich, was es denn war, was die vielen Menschen auf ihren Smartphones so taten. Ich begann, vor allem, wenn ich mich zwischen Liegen am Strand bewegte oder in Lokalen zu meinem Tisch ging, auf die Screens der Handys zu sehen. (Jaja, richtig creepy.) Sehr zu meinem Erstaunen waren es weder die Websites oder Apps von Tageszeitungen, Magazinen oder anderen, primär dem Lesen gewidmeten Angeboten, die auf den Screens der vielen, vielen Menschen zu sehen waren, noch waren es die Streams von Social Media-Kanälen wie Tik Tok (das hätte ich in der Überzahl vermutet) oder anderen, primär dem Fernsehen und Streamen gewidmeten Angeboten (Musikkanäle ausgenommen). Nein, es waren Messenger, die bei fast allen aktiv waren und Konversationen ermöglicht haben. WhatsApp in einer gewaltigen Überzahl, dicht gefolgt von – ich vermute – WeChat bei den asiatischen (oder eher wohl: chinesischen) Userinnen und Usern, und das wiederum gefolgt von iMessage.

Kommunikation, also, statt Lektüre. Plaudern statt passives Konsumieren. (Telefonieren, das nur nebenbei, sah ich fast niemanden. Und wenn, dann waren es Video-Calls, in denen der Ausblick oder das Essen gezeigt wurden, was leicht an der kreisenden Bewegung der Hand und dem nach außen drehen der Kamera erkennbar war, in der die Kommunikationsbedürftigen ihre Handys hielten.)

Okay, dachte ich mir, dann ist es halt so. Im Urlaub (in Thailand) an ein Buch zu denken, war eine Angewohnheit, die mich nun offiziell als alt oder sonst einer Kategorie zugehörig machte, die nicht mehr mit dem Mainstream übereinstimmte. Mit den am Strand liegenden und mit zugekniffenen Augen ins Handy starrenden Menschen konnte ich mich nicht identifizieren. Die Orte, die sonst dem Lesen gewidmet waren, gab es nicht mehr. Und offenbar ist auch der Bedarf, auf einer Insel, die von etwa einer halben Million Touristen pro Jahr besucht wird, Bücher zu verkaufen, so sehr gesunken, dass es sich für die letzten, verbleibenden Buchhandlungen nicht mehr gelohnt hat, den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Alles Kriterien, also, die das Lesen erfüllen oder ermöglichen würden, werden auf Ko Phi Phi nicht mehr erfüllt. Danach zu fragen oder sie sogar zu begehren, macht mich somit zum Außenseiter. Na auch schön. So viele von denen, die auf Ko Phi Phi landen, besuchen den Viewpoint 3 auch nicht.

Am späten Nachmittag sprach ich einen gelangweilt am Strand sitzenden Bootsmann an, ob er uns am nächsten Tag, früh in der Früh nach Ko Phi Phi Leh, der Nachbarinsel von Ko Phi Phi (Don), die vor allem durch den Film „The Beach“ bekannt geworden ist, bringen würde. Wir einigten uns auf 6:30 Uhr morgens, um die Insel rechtzeitig zu erreichen, bevor noch die Tagestouristen, die von Ko Phi Phi Don und von Phuket aus zur Insel aufbrachen, ankommen würden.

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