Zweifelhafte Versprechen einfacher Plattformen

Wenn etwas, das kompliziert ist, als etwas, das leicht ist, verkauft wird, dann ist da immer ein Haken dran. Dieses Hakens sollte man sich bewusst werden.

Jono Alderson, der für gewöhnlich nicht mit Kritik an WordPress spart, hat etwas, das man fast schon ein Plädoyer für WordPress nennen könnte, veröffentlicht. Sein Punkt: Plattformen wie Wix, Shopify, Squarespace, Framer, Contentful und wie sie alle heißen, versprechen Einfachheit (und halten diese zugegebenermaßen auch ein), verschweigen aber dezent, dass diese Einfachheit durch funktionale Einschränkungen erreicht wird.

Viele wird das weiter nicht stören, denn der Horizont, den man selbst trotz Einschränkung zur Verfügung hat, ist groß. Wer aber auf das Web setzen will, sollte sich dieser Tatsache bewusst sein, um nicht später irgendwann mit horrenden Kosten konfrontiert zu sein, wenn der Umstieg auf ein freies, also die Funktionalität nicht einschränkendes System, erfolgen muss. Sei es aus Gründen, die im Business selbst liegen, oder aus regulatorischen, marketingtechnischen, rechtlichen oder aus sonst irgendeinem Grund.

Pick a template. Add your logo. Drag in a few images. Write a couple of sentences about who you are and what you sell. Connect a domain. And just like that, you’re live. A functioning website in under an hour. You feel productive. Empowered. Slightly smug. […] Wix, Shopify, Squarespace, and their peers […] Their onboarding is smooth, their design systems are reassuring, and their language is relentlessly positive. […] But under the surface, something important isn’t happening. You’re not planning your content model. You’re not thinking about how you’ll manage products at scale, or publish articles in multiple languages, or segment your customers across regions. You’re not asking how this platform handles canonical logic, image delivery, caching, structured data, or version control. […] These platforms are designed to get you to the finish line as quickly as possible – but the “finish line” is defined as a published homepage, not a sustainable, scalable, differentiated digital platform. You’re not just setting up a homepage – you’re unknowingly locking in a data model you didn’t design, a routing structure you didn’t plan, and a set of limitations you haven’t even discovered yet.

Jono Alderson

Das Versprechen von Einfachheit (und die Fiktion von Kostenersparnis, möchte ich ergänzen) sind Verlockungen, denen leider ach so viele unterliegen. Niemand möchte sich von professionellen Anbietern, Developern und darauf spezialisierten Unternehmen abhängig machen, niemand möchte Geld für die ausgeben. – Bis es dann halt einmal kracht und man draufkommt, dass die ganze Chose von Anfang an professionelle Unterstützung gebraucht hätte. Websites, nein, viel weiter: Alles, was irgendwie mit diesem Onlinedingsbums zu tun hat, wird leider nach wie vor nur bei den wenigsten mit der notwendigen Ernsthaftigkeit betrachtet.

Eine Website erstellen kann ja eh jeder. Eine Präsentation machen, eh auch. Eine Grafik kann man schnell mit irgendeinem Tool generieren, die zugehörigen Texte liefert ChatGPT. Hast du nicht einen Buben, der in eine technische Schule geht? Kann mir der nicht schnell etwas aufsetzen? – So oder so ähnlich habe ich das hunderte Male schon gehört, wenn Websites repariert werden mussten, ein Unternehmen nicht mehr zahlen konnte oder sonst irgendetwas passiert ist, das mehr oder weniger mit dem Onlineauftritt verbunden war.

Jono Alderson argumentiert, man brauche WordPress, um das Chaos, das das Web nun einmal ist, in eine Ordnung bringen und nutzen zu können (und – ich habe diese Teile hier der Zuspitzung wegen ausgelassen – er erwähnt natürlich auch, dass er WordPress als bevorzugte Lösung ansieht, dass aber praktisch jedes freie System ebenso gemeint ist, das mit dem Chaos namens „Web“ so umgehen kann, wie es WordPress kann).

If you want to play to your unique strengths? If you want to build a site that adapts with and to your business, instead of boxing it in? If you want to move fast and build right? You need a platform that treats your ambition as a feature, not a bug. One that doesn’t just tolerate complexity, but expects it. One that’s designed not for onboarding metrics or SaaS margins, but for autonomy, depth, and weird edge cases. You need WordPress. Not because it’s beautiful. Not because it’s modern. But because it doesn’t assume simplicity is the end goal. […] What works for your MVP may break down entirely when your team grows, your offering expands, or your audience fragments. And there’s a difference between choosing simplicity and being stuck with it. […] WordPress remains the single best option for businesses that intend to grow, adapt, and take ownership of their digital presence. Because WordPress doesn’t assume your needs are simple. It doesn’t impose a vision of what your site should be. It doesn’t hide the wiring, or predefine your data structures, or trap you inside a rigid UX pattern. […] WordPress doesn’t make it easy. It makes it possible. And that difference is everything.

Jono Alderson

In Jono Aldersons Artikel schwingt aber ein Aspekt mit, der unausgesprochen bleibt, meiner Erfahrung nach aber ebenso zum Erfolg (oder, bei falscher Wahl, zum Misserfolg) führt. Oft wird WordPress (hier als Pars pro toto zu lesen!) als zu komplex, zu aufwändig und – mittlerweile – als mit zu hohen Einstiegs- und Wartungskosten verbunden angesehen. Stattdessen greifen Unternehmen auf die oben genannten Plattformen zurück oder basteln sich selbst etwas zusammen; dabei gehen mehrere Dinge verloren, die sich früher oder später aber als essentiell entpuppen und für den Erfolg oder Misserfolg eines Projekts entscheidend sein können. Im Grunde Banalitäten.

  1. Der Fokus auf die eigentliche Arbeit.
  2. Das Know-How im Umgang mit aufs Marketing spezialisierten Dienstleistern oder hierfür angestellten Personen im eigenen Betrieb.
  3. Der Aufbau einer (Vertrauens-) Beziehung zu einem externen Dienstleister, der beratend und (mit seinen anderen Kunden vergleichend) zur Seite steht.

Auf der einen Seite kapert der technische und redaktionelle Betrieb einer Website und all seiner Zusätze wie Tracking, Analytics, Setup von Werbung usw., Ressourcen, die, besonders bei wachsenden Unternehmen, woanders, nämlich bei der Essenz ihrer Arbeit, besser aufgehoben wären. Ich habe es nicht selten erlebt, dass ich Unternehmen beratend zur Seite gestanden bin, bei denen mehr als die Hälfte des Kernteams (!) damit beschäftigt war, irgendeine (ohnehin schreckliche) Website zusammen zu schustern. Die Ineffizienz, die damit einherging, war nahezu unerträglich. Es gab keine Entscheidungsroutinen, niemand hatte das letzte Wort, man versuchte, durch Abstimmungen, hunderte Abfragen, sinnlose Meetings und Kommentare zu einem Ergebnis zu kommen und wunderte sich, wieso man einerseits keinen wirklichen Fortschritt vorweisen konnte, andererseits, wieso das, was dann irgendwann dabei herauskam, trotzdem unbefriedigend war und sich nicht gut anfühlte. Ja, man hatte eine Website, und ja, formal war alles vorhanden, was man brauchte. Die versteckten Kosten – Monate an Personentagen, die hier sinnlos geopfert und somit verbrannt wurden – wollte niemand sehen. Dass das Ergebnis in einhundert Prozent der Fälle einen wenig gelungenen Kompromiss darstellte, der aber auch gar nichts an Marketingqualitäten aufweisen konnte, ebensowenig.

Es herrschte betroffenes und eingestehendes Schweigen, als ich in einem Meeting konstatiert habe, dass die zwanghafte Beschäftigung mit der Website in Wirklichkeit eine Ausweichhandlung war, die Fortschritt und Entwicklung suggerieren, in Wirklichkeit aber ein anderes Problem überdecken sollte; ein völliges Scheitern der Akquise gepaart mit wirkungs- und planlosem Marketing, nämlich.

Das Versprechen von Leichtigkeit entpuppte sich nicht nur als zweifelhaft, sondern als falsch. Und es hat dazu geführt, dass wertvolle Zeit, die woanders deutlich besser investiert gewesen wäre, verloren gegangen ist.

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