Ich muss zugeben, dass mir selbst schon all die Artikel und Beiträge, in denen sich irgendwer (mich eingeschlossen) über die immer gleichen Dinge in Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz beschwert, auf die Nerven gehen. Immer und immer wieder geht es um den Verlust von Qualität, das um Freude beraubt werden, um sinkende Standards und um all die Probleme, die sich aus der gewaltigen Zentralisierung, die mit der Nutzung der Technologie einhergeht, ergeben. Am Ende ist es immer dieselbe Formel:
- KIs generieren Inhalte, die bestenfalls mittelmäßig sind, jedenfalls keine Einzigartigkeit aufweisen können. Wer das Gegenteil behauptet, hat Einzigartigkeit noch nie erlebt.
- Da das Mittelmaß, dazu gehören auch absurde Ausformungen, für die Wirtschaft aber die Normlinie ist, wird es durch das kontinuierliche Streben nach Kostenoptimierung erzwungen. Das Außergewöhnliche kostet einfach zu viel bei viel zu hohem Risiko.
- Nicht nur das Außergewöhnliche, sondern auch das Geniale geht verloren, da diejenigen, die sich bislang an echten, also von Menschen entwickelten literarischen, musikalischen oder sonstigen Kunstwerken erfreuen konnten, im von KIs produzierten Slop untergehen und Unmengen an Zeit investieren müssten, um das herauszufiltern, was tatsächlich noch etwas wert ist. Das tun sie immer seltener.
- Wenn Genialität nicht ankommt, wenn die Kommunikation der Kunst – eine Notwendigkeit in and out if itself! – nicht gehört werden kann, dann ist auch die Motivation vernichtet, sich so sehr mit etwas zu beschäftigen, das Genialität überhaupt entstehen kann.
Es ist mühsam und es geht mir und immer mehr auch anderen Menschen, die diesen Umstand mehr oder weniger gleich empfinden, ganz ähnlich. Wir sehen, wie die Erosion des Widerstands einer nicht guten, aber zumindest bemühten Welt gegen eine bestenfalls mittelmäßige, jedenfalls aber gar nicht mehr bemühte Welt vorangetrieben wird. Wir haben immer schon gewusst, dass die allermeisten von uns keine allzu großen Erwartungen haben. „Das passt schon so“ – eine Phrase, die das absolute Gegenteil zum Anspruch an Qualität auszeichnet – ist zum Leitmotiv geworden; ein stilles Nachgeben gegenüber dem Verlust einer fordernden Erwartungshaltung.
Wenn aber nichts gefordert wird und dadurch auch nichts erfüllt werden kann, was bleibt dann übrig? Vor allem: Was macht das mit uns? Worüber können wir uns freuen, wenn wir nicht herausgefordert werden? Woher holen wir uns die Bestätigung, das Lob, den Freude verursachenden Grund für unser zukünftiges und motiviertes Handeln?
Leah Oswald hat einen schönen Artikel darüber geschrieben, wie uns Künstliche Intelligenz der Freude beraubt, etwas zu genießen, das geschaffen wurde, oder etwas zu schaffen, das genossen werden kann. Es ist ein Sinnbild für den oben skizzierten Prozess, und macht klar, dass wir Menschen das Ziel der Optimierung geworden sind, mit der die Technologie „Künstliche Intelligenz“ agiert. Wir wollen es uns halt nicht eingestehen.
Generative AI […] is bad. It’s bad for the environment. It steals from everyone without asking. It’s wrong in very strange ways half of the time, we have no idea how it actually works and it’s controlled by billionaires. […] The results of AI are kinda acceptable… sometimes, and it’s fast and cheap, because we ignore the invisible costs or the poor quality. AI […] works, but if we consider it fairly, it also sucks. […] It makes a process that humans experienced for thousands of years, […] a part of what makes us human, a product. […] It strips you from the incredible joy after suffering through the ups and downs of creating something on your own. And what will you do instead to get your dose of dopamine? Right, you will go to the dopamine machine, also called social media, of these same billionaires to see ads and buy stuff you don’t need.
Leah Oswald
Ich mag den Artikel von Leah Oswald, weil er zusammenfasst und an einem leicht verständlichen Beispiel aufzeigt, worüber ich hier immer und immer wieder geschrieben habe. Aber ich bemerke auch, dass die kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Thema an seine Grenzen stößt, da immer weniger Menschen Verständnis für Exzellenz und Genialität aufweisen können. Stellte man sie in einem Museum vor ein Gemälde (oder konfrontierte man sie mit irgendeiner Form von Kunst), so würden sie wohl nicht wissen, was daran besonders sei oder warum dieses oder jenes Kunstwerk es verdiene, ausgestellt zu sein. Ich fürchte, viele würden den künstlerischen Aspekt auch nicht verstehen, wenn man versuchte, ihn ihnen erklären zu wollen, schlichtweg, weil die Grundlagen fürs Verständnis von Genialität, für die Wahrnehmung von Außergewöhnlichem, für den Instinkt für das Gute und Schöne entweder verloren gegangen sind oder ausgelöscht wurden. Das gilt in die eine und in die andere Richtung.
Meine Güte, eine an die Wand geklebte Banane wurde als „Kunst“ interpretiert, weil – und die Begründung schließt gewissermaßen an den oben genannten Punkt 2 an – sie… gekauft wurde.
Niemand – außer diejenigen, die sich die zugehörige Bildung und die sie einnehmende Zeit leisten können und darin einen Wert sehen, nicht-kommerzielle Werte aufrecht zu erhalten – kennt sich also mehr aus. Der Wandel ist vollzogen: Wert ist, was beziffert werden kann. Alles andere ist nichts wert. Und da Technologie irgendwie Werte schaffen soll, wird sie in genau diese – Werte schaffende – Richtung optimiert. Dass dabei ein zum Mittelmaß hin optimiertes Nivellieren alles Geschaffenen stattfindet, ist ein willkommener Nebeneffekt und somit Segen für diejenigen, die aus der Technologie Kapital schlagen können, müssen oder wollen. Für alle anderen ist der homogenisierende und debilisierende Effekt von immer mehr Künstlicher Intelligenz ein Fluch. Dass es immer extremer werden muss, dass wir, wie Suchtabhängige, immer mehr von dem immer gleichen Slop benötigen, um irgend etwas zu spüren, so wir denn überhaupt noch spüren können, auch. Das Mittel ist zum Maß aller Dinge geworden. Das Mittelmaß ist effizient, „kosteneffizient“, that is!
With the L.L.M. “you have no divergent opinions being generated […] Average everything everywhere all at once—that’s kind of what we’re looking at here.” A.I. is a technology of averages […]; the answers they produce tend toward consensus, both in the quality of the writing […] and in the calibre of the ideas. […] With A.I. we’re so thoroughly able to outsource our thinking that it makes us more average, too. […] We often hear A.I. outputs described as “generic” or “bland,” but averageness is not necessarily anodyne. […] The more people find the models’ output acceptable, the broader the swath of humanity it can convert to paying subscribers. Averageness is efficient: “You have economies of scale if everything is the same”.
Kyle Chayka
Aber gut, ich gehöre auch zu der Sorte von Mensch, die es verachtenswert findet, Geburtstags- und sonstige Wünsche mittels KI zu generieren. Die es lieber sein lässt, bevor sie Fürbitten von irgendwelchen Websites kopiert, wo sie gesammelt angeboten werden. Zu der Art von Mensch, die sich denkt, dass Generiertes und Kopiertes vollkommen wertlos ist, da es nie die Verschmelzung zweier Grade an Individualität, die, nämlich, des Beglückwünschten und die der Person, die die Glückwünsche ausspricht, erreichen kann. Auch wenn das, was am Ende dabei herauskommt, banal klingt, so ist doch der Prozess des Verfassens eines solchen Textes, das stille Hinsetzen und, wenn auch nur kurz darüber nachdenken, mehr wert als jeder im Internet gefundene oder mittels ChatGPT generierte Spruch, möge er auch noch so ausgefuchst sein und kreativ wirken. Wenn alle immer die gleichen Sprüche von sich geben, ist das Ritual in sich selbst wieder ritualisiert. Dann könnten wir doch gleich – ähnlich wie in katholischen Messen – vorgeben, was zu sagen, was zu wünschen, was zu hoffen ist.
Die Sache sollte nie Selbstzweck sein, sondern Mittel zum Zweck. Wer aber, und hier schließe ich wieder an die Deutung von Herausragendem an, nicht weiß, was der eigentliche Zweck dieses oder jenes Rituals ist, wer also ein Geburtstagsessen besucht, weil es dort etwas zu essen gibt, wird sich schwer tun, das große Ganze zu verstehen, den Sinn dahinter, und warum ein ChatGPT-generierter Spruch oder ein von irgendeiner Website geladener Wunsch schlichtweg weniger wert ist als Schweigen. Denn wer schweigt, gibt in diesem Fall der KI keine Stimme.
Dass aber der Trend, solche Dinge als unwichtig, als Lässlichkeit zu interpretieren dazu führt, ein sinnentleertes, von Werten befreites Leben führen und damit klar kommen zu müssen, schert halt niemanden, weil niemand dafür Zeit hat, über solche Dinge nachzudenken.