CERN migriert zu WordPress

Das CERN lässt Drupal fallen und migriert 1.200 Websites auf WordPress. Als Begründung führt das CERN hohe Wartungskosten und mangelnde Abwärtskompatibilität an.

Das CERN1 migriert von Drupal zu WordPress und hat einen durchaus interessanten Beitrag zur Evaluierung diverser Content Management Systeme (CMS) veröffentlicht. Eine Institution wie das CERN mit 1.200 öffentlich erreichbaren Websites (!) hat entsprechende Anforderungen an die Langlebigkeit, Einfachheit (in der Bedienung), Stabilität und Kompatibilität eines CMS, die sich auf den ersten Blick nicht viel von anderen, größeren Unternehmen unterscheiden; sich auf den zweiten aber als Schlüsselindikatoren für oder wider ein System erweisen.

Nach der ersten Ausschlussrunde standen WordPress, Wix, Squarespace und Joomla zur Auswahl2. Warum fiel die Entscheidung am Ende gegen Drupal und zugunsten WordPress aus? Abwärtskompatibilität, Bekanntheit, ein gesundes Ökosystem, ein hoher Marktanteil, ein ansprechendes User Interface für die redaktionelle Arbeit, und die immer stärker verbreitete Nutzung des CMS von relevanten und stark exponierten Websites, die zusammen mehrere Milliarden an Besuchen pro Jahr erfolgreich abarbeiten. Als Beispiele werden unter anderen auch die von mir hier genannten Websites des Weißen Hauses oder der NASA angeführt. Aber auch die Website von Taylor Swift oder alle Websites der VOX Media Gruppe sind WordPress-Websites.

Es sind aber keineswegs nur diese Pullfaktoren, die sich auf die Entscheidung einer Migration weg von Drupal und hin zu WordPress ausgewirkt haben. In nahezu jedem Absatz beklagt das CERN die hohen Kosten der laufenden, technischen Wartung, die Drupal verursacht.

The continuous maintenance and support requirements demanded by Drupal […] incurs significant costs […]. Increasing security requirements and frequent backwards incompatible changes to both Drupal itself and individual modules further complicate matters. […] To evaluate alternatives, the following content management systems were assessed: WordPress (used by 63% of websites with content management systems); Wix (5.9%); Squarespace (3.0%); and Joomla (2.6%). While other platforms exist [and] given the challenges stemming from Drupal’s diminishing ecosystem, we prioritised alternatives with robust and growing communities. […] Among these alternatives, WordPress emerged as the most viable option. Wix and Squarespace, whilst effective for small to medium-sized websites, are tightly coupled to their proprietary hosting and infrastructure platforms. […] Joomla […] presents an even steeper learning curve than Drupal while sharing many of its limitations. […] WordPress was therefore selected to replace Drupal. This decision is supported not only by our internal evaluation and feasibility study but also by WordPress’s widespread adoption among high-profile websites that collectively receive billions of annual visits […] WordPress, whilst requiring an initial investment, offers long-term cost reduction across development, maintenance, and daily operations. Moreover, WordPress’s intuitive interface empowers users to focus on content creation as opposed to web development. […] Drupal’s decommission is scheduled for early 2026.

cern.ch

Es gibt kein Argument in der CERN-Argumentation, dem man widersprechen müsste. Das „WordPress ist ein Blogsystem“-Gelaber hört man eigentlich nur noch von Menschen, die WordPress das letzte Mal vor mehr als zehn Jahren näher angesehen haben, die Argumente betreffend die Sicherheit des Systems sind seit Jahren auch schon hinfällig geworden oder ergeben sich aus einer ungenauen Betrachtung der Fakten (Core- vs. Plugin-Security), so gesehen geht das CERN hier einen meiner Meinung nach guten und richtigen Schritt.

Gleichzeitig ist es schade mitanzusehen, wie es einem respektablen und die grundsätzliche Idee eines freien Internet teilenden Herausforderers am CMS-Markt, Drupal nämlich, der nahezu zeitgleich mit WordPress den Markt betreten hat und in vielen Aspekten WordPress technisch überlegen ist/war, nicht und nicht gelingt, seinen Marktanteil substantiell zu erweitern oder auf eine Art von Nutzung (zB Enterprise-Bereich) zu fokussieren. Noch mehr schade ist, dass die Content Management Systeme, die relevantes Wachstum vorweisen können, allesamt vom Prinzip, Daten auf der eigenen Infrastruktur zu behalten, abweichen oder gleich „as a service“-Systeme sind; Wix, Squarespace, Shopify, Framer oder Webflow gehören hier dazu. Infrastruktur und Content Management System sind hier eine von einander nicht trennbare Einheit. Das hat natürlich immense Vorteile für die Performace so betriebener Websites, sowie eine Senkung der Wartungskosten gegen Null; gleichzeitig steigt aber die Abhängigkeit von den jeweiligen Anbietern auf strategisch bedrohliche einhundert Prozent. Und mit Abhängigkeit meine ich nicht nur die technische Infrastruktur, sondern auch die eines stabilen Preis- und Bezahlmodells, was auch nicht gegeben ist, wenn ein SaaS-Anbieter plötzlich unter Druck kommt.

Wer Inhalte online veröffentlicht und sie nicht als Wegwerfware sieht, sollte über seine eigene Website verfügen. Das bedeutet: die Domain, den Server und die Software – und somit auch die dort generierten Daten – (technisch) unter Kontrolle haben. WordPress ist da, nicht zuletzt auch aufgrund der riesigen Menge an Plugins und Zusatzmodulen, die für nahezu alle Anwendungsfälle bereits mit Lösungen aufwarten, eine ausgezeichnete Wahl.

  1. CERN steht für Conseil européen pour la recherche nucléaire, also die Europäische Organisation für Kernforschung. So gesehen müsste ich immer „die“ CERN sagen, was aber niemand, wirklich niemand, macht. ↩︎
  2. Ja, die Auswahl ist aus mehreren Gründen bemerkenswert; vo allem aber, da nicht alle der genannten Systeme vollständig selbst, also auf eigenen Servern, betrieben werden können und das CERN damit die Hoheit über seine Daten verlieren würde. ↩︎

2 Kommentare

  1. Drupal = mailbox.org
    WordPress = Gmail

    Ersteres hat ganz bestimmt seine Qualitäten und eine Nische, die es abdeckt. Letzteres ist für die meisten Nutzer bedienbar.

    Ich suche ja auch eine Alternative zu iCloud Daten mit E2EE und habe es bei Koofr probiert. Wenn ich dafür rclone und macfuse installieren, Terminal nutzen und Änderungen an grundlegenden Systemberechtigungen vornehmen muss, damit ich überhaupt erst verschiedene Tutorials abarbeiten kann, dann *WILL* ich mir das nicht antun – egal, wie sicher und open source das alles ist.

    Koofr = mailbox.org
    iCloud = Gmail

    • Ist ein schöner Vergleich, der auf den Punkt bringt, wo das Problem liegt. Und allein schon wenn ich von macfuse lese, zieht’s mir eh alles zusammen. (Übrigens ein Punkt, warum ich nicht und nicht Cryptomator nutze. Die nutzen leider die Fileprovider API nicht, obwohl das viele so einfach machen würde, wie es damals mit Boxcryptor – hach! – war.)

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